Leichenschrei
Gary, einfach Geschichten zu erzählen. Wahrscheinlich, weil Laura unbedingt wollte, dass er ihr ein Kind macht. Laura hatte gedacht, sie und Hank Cunningham würden heiraten und Kinder kriegen. Aber nachdem sie und Hank sich getrennt hatten … Also, so ungern ich das auch sage, aber ich glaube, sie hat Panik gekriegt und wollte Gary als Samenspender. Sie muss ihn irgendwie rumgekriegt haben.«
»Aber warum sollte Gary mir so etwas auftischen?«
»Vermutlich, damit Sie nicht denken, er habe Laura getötet.« Wieder lauschte sie am Babyfon, um Scooter zu hören. »Tish war auch schwanger, aber sie hatte eine Fehlgeburt wegen der Aids-Erkrankung. Das war, bevor wir wussten, dass sie diese schreckliche Krankheit hatte.«
»Vielleicht war Gary wütend auf Laura, weil sie schwanger war.«
»Ich weiß nicht. Kann sein. Aber ist das noch wichtig? Jetzt sind sie beide tot. Und das ist so traurig.« Sie begann zu weinen, und ich reichte ihr einige Papiertücher. Sie knüllte die Tücher in ihrer Faust zusammen. »Oh, verdammt.«
»Es ist nur gut, alles herauszulassen. Ich mache mir Sorgen um die, die das nicht tun.«
»Danke.«
»In der Nacht, als Laura starb, ist Gary da noch einmal weggegangen, nachdem er hier war, Joy?«
»Weggegangen? Gary war doch gar nicht hier. Oh, verdammt!«
22
Das Erwachen
Ich setzte mich auf den Couchtisch, um näher bei Joy zu sein. Ich unterdrückte den Impuls, sie zu schütteln. Seit sie ihr »Oh, verdammt« von sich gegeben hatte, starrte sie zu Boden.
»Joy?« Ich überspielte den Frust in meiner Stimme und legte ihr die Hände um die Schultern. »Bitte sehen Sie mich an, Joy.«
Langsam hob sie den Kopf, und ihr Blick traf meinen.
»Gary hat mir gesagt, er sei nach einem Streit mit Laura beim Giddyup hierher gekommen. Und dass er den Rest der Nacht hier verbracht hat. Wenn das stimmt, dann kann er Laura nicht getötet haben.«
Sie zupfte an einer Fussel auf der Armlehne.
»Ein paar Tage nach dem Mord an Laura«, sagte ich, »hat Gary mir einen Besuch abgestattet. Er wollte mir gerade erzählen, was in der Nacht von Lauras Tod wirklich geschehen ist, als Hank Cunningham kam.«
Ihr Kopf ruckte hoch. »Wollte er das, ja?«
»Er klang so. Ja.«
»Ich hätte nicht sagen sollen, was ich gesagt habe. Jetzt erscheint Gary in einem schlechten Licht.«
Etwas Schlimmeres als der Tod kann ja nicht mehr kommen.
Ich seufzte. »Gary ist tot, Joy. Da kann es nicht schaden, mir alles zu erzählen, oder?«
»Mag sein.«
»Sie wissen, wo Gary in jener Nacht war, oder?«
»Ich glaube schon.«
»Die Wahrheit ist wichtig, Joy.«
»Wirklich?«, sagte sie. »Das ist doch jetzt sowieso Vergangenheit.«
»Nicht für Annie und Noah. Oder für Sie und Will. Aus welchem Grund hätte Gary mich anlügen sollen?«
»Wie die meisten hier in der Stadt wollte er jemanden schützen.«
»Und wen?«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Drew. Drew Jones. Gary hat die Nacht in Drews Haus verbracht. Sie waren Jagd-freunde. Schon seit Jahren.«
Der Hummerfänger und der Kongressabgeordnete. In Maine nicht so weit hergeholt. Hatte Drew gesehen, wie Gary Laura umbrachte? Oder war es umgekehrt?
»Bitte erzählen Sie mir von dieser Nacht«, sagte ich.
Joy schnappte sich ein Papiertuch und putzte sich die Nase. »Es war eine schlimme Nacht. Scooter war krank. Drews Hund ist in ein Fangeisen getreten. Ich möchte keinen Freund verpfeifen.«
»Und Drew und Sie sind Freunde.«
»Irgendwie schon. Ich meine, na ja, es ist so nett mit ihm. Drew benimmt sich wie jeder andere auch, obwohl er mal Kongressabgeordneter war.«
»Und sie haben sich über Gary angefreundet.«
»Genau umgekehrt. Vor etwa vier Jahren sind Drew und ich dem Vorstand des CVJM beigetreten. Es war einfach toll, wie wir den Bau durchgesetzt haben.«
»Und wie hat Gary ihn dann kennengelernt?«
»Drew hat ein paar Unterlagen vorbeigebracht. Dabei hat er den alten LeBaron entdeckt. Gary war hier, und Drew dachte wohl, er gehört Gary, also hat er ihn gefragt, ob er ihn kaufen kann. Als Geschenk für seinen Vater, der alte Chrysler-Modelle sammelt. Gary fand die Idee klasse. Will aber nicht. Mein dickköpfiger Mann wollte nicht verkaufen. Hatte vor, ihn selbst wieder herzurichten. Haha. So seltsam es auch scheinen mag, auch Will und Drew wurden ziemlich gute Freunde. Die Sache mit der Jagd. Aber wie dem auch sei, so haben Gary und Drew sich kennengelernt.«
»Drew … scheint es nicht gut zu gehen.«
Joy lauschte am Babyfon, verließ das
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