Leichenschrei
lassen. Ein Schwarm Mücken fiel über mich her, als ich zu der großen Werbetafel ging, auf der ein Künstler die Eigentumswohnungen dargestellt hatte. Tennisplätze, ein Erholungsraum, sogar ein Krocketfeld – hier gab es alles, und dazu noch den Blick auf den Emerald Lake.
Das Problem war nur, dass Wirklichkeit und Kunst zweierlei waren. Stattdessen sah man mehrere Morgen gerodetes Land mit vertrocknetem Schlamm und Baumstümpfen, umgeben von dürren Bäumen. Ein Bulldozer stand verlassen neben einer grob gezimmerten Bank, die aufs Wasser blickte. Ich stellte mir vor, wie Noah, irgendeinen Trottel an der Seite, die zukünftigen Vorzüge der Anlage pries. Nach dem Zustand des mit Kiefernnadeln bedeckten Bulldozers zu schließen, ließen diese Vorzüge auf sich warten.
Ich sog die frische Luft ein, die vom See heraufwehte und vorübergehend die Mücken vertrieben hatte.
Annie musste da mit drinstecken, und ich machte mir Sorgen um sie. Wegen Noah bekümmert zu sein fiel mir schwer.
» Ke mne, Penny! Komm!« Sie hechtete in den Wagen, und ich überlegte mir, wie schnell sie wohl mit vier Beinen gewesen sein musste.
Als ich wendete, entdeckte ich ein Bauschild der Firma Sargent Construction, das auf dem Boden lag. Hm.
Ich fuhr über die holprige Straße zurück. Emerald Shores bot mehr Fragen als Antworten, insbesondere die, warum Laura Gary Pinkham überredet hatte, eine Wohnung zu kaufen, deren Bau in der Schwebe war.
Ich wollte gerade wieder auf die Hauptstraße einbiegen, als ich einen beigen Sedan entdeckte, der im Leerlauf auf der anderen Straßenseite an der Abzweigung zu einem Feldweg stand. Ich setzte zurück in den Schatten. Der Wagen sah eindeutig nach dem von Lewis Draper aus.
»Allmählich nervt das, Pen.« Ich fühlte mich nicht wirklich bedroht. Er rückte mir eher ein bisschen zu sehr auf die Pelle. Ich wartete ein paar Minuten, damit er abfahren konnte, was er aber nicht tat. »Ach, was soll’s.«
Mit dem Wunsch, ihn direkt anzusprechen, fuhr ich los und steuerte über die Straße. Der Sedan gab Gas, sodass Dreck, Splitt und Staub aufspritzten, und fuhr Richtung Norden. Auch ich trat das Gaspedal durch und blieb ihm dicht auf den Fersen.
Ich brauchte mehr als eine Minute, um zu erkennen, wie dumm ich mich benahm. Ich wendete auf der Stelle und fuhr zu Drew Jones.
Einige Minuten später kam ich auf einem gepflegten Feldweg um eine Biegung, fuhr über einen kleinen Bach und an einem großen Stein vorbei, auf den ein Smiley gemalt war, und bog in die Einfahrt zu Drews Camp ein.
Was für ein Gegensatz zu Emerald Shores. Es war ein hübscher Fleck, tiefer gelegen als Emerald Shores, aber immer noch deutlich über dem See. Links von der Einfahrt stieg ein Feld voller Wildblumen langsam bis zum Kamm eines Hügels an. Hinter der Einfahrt lag das rot gestrichene Haus, und daneben ging ein Pfad ab, der hinunter zum See und dem Anlegeplatz des Camps führte.
Das Haus sah ziemlich neu aus, doch es gab bereits einen Rasen, und man hatte Fliederbüsche gepflanzt.
Dieses Mal nahm ich Penny mit. Ich hatte keine Ahnung, was ich dort antreffen würde, und mir war nicht nach unangenehmen Überraschungen. Ich lief die Stufen hinunter. Eine Schaukel für zwei Personen hing unter dem Vordach, und ich war versucht, mich daraufzusetzen. Zwei Tontöpfe mit farbenfrohem Springkraut rahmten die Tür ein, und jemand hatte das Licht unter dem Vordach angelassen.
Die Fliegentür war zu, doch die Haustür stand weit offen.
Ich legte die Hände um den Mund. »Hallo?«
Als Antwort kam ein lautes Bellen. Peanut. Penny erwiderte das Bellen. Doch niemand kam an die Tür.
Ich warf einen Blick durchs Fenster und sah die u-förmige Küche, aber wenig dahinter. Ich zog die Fliegentür auf und steckte den Kopf hinein. »Hallo?«
Eine riesige Zunge attackierte mich. »Peanut!«
Peanut legte die Vorderpfoten auf meine Schultern, womit sie mich fast umgeworfen hätte. Der Verband an ihrem Hinterlauf störte sie kein bisschen. Penny, die Peanuts Gutmütigkeit bereits ahnte, gestattete den Angriff der Zunge des größeren Hundes äußerst geduldig und ohne allzu eifersüchtig zu werden.
»Ist ja gut, mein Mädchen.«Ich schob ihre Pfoten hinunter. »Ein guter Wachhund. Und wo ist dein Herrchen?«
Beide Hunde folgten mir zur Küchenzeile, wo ich einen Zettel für Drew schrieb.
Ein Seufzen unterbrach die Stille.
Peanut verschwand um die Ecke. Ich folgte ihr in ein hohes Wohnzimmer mit Galerie, ganz ähnlich wie in meiner
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