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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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führte. Mein Gespür sagte mir, dass Chaos Ausdruck fehlgeleiteter Emotionen war. Und dass hinter dieser Tat kalte Berechnung lag, und kein Wutausbruch. Nicht, dass ich Wut als Motiv komplett ausschloss. Nein – stattdessen kam es mir eher vor wie die Variation eines Themas, wie die Sache mit dem Plastikfinger.
    Überall lagen MGAP-Akten, und als Penny nach ihrem Ausflug hereinstürmte, lief sie mit gebleckten Zähnen unablässig im Zimmer auf und ab und knurrte ausdauernd.
    Wenn Penny hier gewesen wäre, hätte sie den Eindringling festgesetzt. Dieser musste also gewusst haben, dass sie nicht da sein würde. Woher?
    Schwer zu sagen, ob die Zerstörung in Zusammenhang mit Laura Beals Ermordung stand oder etwas mit der angeblichen Niedertracht meines Vaters zu tun hatte. Jemand, der auf Rache aus war, konnte meine wahre Identität herausgefunden haben.
    Als ich Penny so im Kreis laufen sah, kam auch ich mir vor, als drehte ich mich im Kreis.
    Hank saß auf einem Stuhl, Carmen am Küchentisch, von wo sie mit ihrem Mann telefonierte, und ich lungerte auf der Couch herum. Ich kraulte Pennys Schnauze, während ich die Geschehnisse des Abends durchging, von denen die Schießerei bei Drews Hütte nicht gerade das unwichtigste war.
    »Interessant, diese Vorkommnisse, was, Hank?«
    »Du solltest verdammt noch mal vorsichtiger sein.«
    »Ist das Tipp Nummer sieben oder was?«
    »Manchmal nervst du einfach nur, Tal.«
    »Und manchmal versteckt sich hinter solchem Galgenhumor einfach nur Angst, Hank. Glaubst du, das war derselbe Kerl, der auch unten am Steg auf uns geschossen hat?«
    Hanks Blick wanderte zu Carmen, die mit dem Rücken zu uns saß. »Ich bin ziemlich sicher, dass das Drew war.«
    »Drew? Nein. Ich kann nicht glauben …«
    »Doch, du kannst. Du willst nur nicht.« Er rieb sich den Nacken. »Du hast doch gesehen, wie verschwitzt er war, wie verwirrt. Ich nehme an, er hielt uns für Eindringlinge da unten auf seinem Steg.«
    Drews Aussetzer wären eine Erklärung. »Hast du konkrete Beweise?«
    »Seine Pistole ist abgefeuert worden. Ich habe am Lauf gerochen.«
    Ich sah aus dem Fenster in die dunkle, kalte Nacht.
    »Drew und Gary waren in der Nacht, als Laura starb, zusammen.«
    »Ich weiß«, sagte Hank leise. »Alles, und das ist auch der Hauptgrund dafür, weshalb ich Garys Abschiedsbrief für echt halte. Drew hat es mir erzählt, als wir auf seinem Grundstück die Fallen ausgebuddelt haben.«
    »Er sagte, er hätte dir nichts davon erzählt.«
    Sein Gesicht verriet wenig. »Das überrascht mich nicht. Er hat mir das mit Gary bereits zweimal erzählt. Dann vergisst er es wieder. Ich bezweifle nicht, dass ich es wieder hören werde.«
    »Bleibt die Frage, ob Drew Laura umgebracht hat und sich einfach nicht mehr daran erinnert. Der Mann, den du kanntest, ist über alle Zweifel erhaben, aber jetzt … Denkbar ist das, Hank, ob du nun willst oder nicht.«
    Er ging auf und ab. »Ich will nicht. Er hat absolut kein Motiv. Zugegeben, ich bin sicher, dass er auf uns geschossen hat. Aber er ist ja überhaupt nicht in der Verfassung, um dein Büro so zu verwüsten. Was, wenn das hier gar nichts mit Laura zu tun hat, sondern etwas mit deinem Vater?« Er nahm mich bei den Schultern.
    Ich entwand mich seinem Griff. »Einundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit, um jemandem etwas nachzutragen. Aber zugegeben, ich habe auch schon daran gedacht.«
    Er vergrub die Hände in seinen Gesäßtaschen. »Wir waren alle Freunde von dir, Annie, Carm, ich. Aber viele Leute waren das nicht. Viele sind schlimm getroffen worden. Manche haben bei dem Projekt deines Vaters alles verloren, jeden einzelnen Cent.«
    »Aber dieses Trenton-by-the-Sea, Hank. Wir haben es doch gesehen. Es ist klasse. Ein Riesenerfolg.«
    »Noah ist eingesprungen, nachdem dein Dad abgetaucht war.«
    Oh, Dad, hast du denn wirklich getan, was alle hier von dir behaupten? Ich verließ das Haus und trabte mit Penny neben mir hinunter zum Strand. Die Wellen schlugen an das steinige Ufer. Du hast sie bestohlen. Aber das hatte er nicht. Konnte er nicht. Nicht der Vater, den ich gekannt hatte.
    Ich sah uns wieder mit unserer kleinen Blue Jay in der Bucht von Trenton segeln, sah Dad lachen und wunderbare Geschichten erzählen. Er hatte alles getan, was eine Mutter hätte tun sollen und getan hätte. Aber da war ja keine Mutter gewesen, also hatte er unser Leben organisiert, bis …
    Aber er hat sich immer durchgemogelt. Hat immer versucht, leichtes Geld zu machen.
    Nein. Nicht

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