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Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph G. Kretschmann
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der verfallene Turm, in dem ich Unterschlupf suchte. Vielleicht noch vier oder fünf Stunden zu reiten.“ „Dann sollten wir unser Lager hier aufschlagen.“, sagte Hassan-i-Sabbah und bedeutete den schwarzen Männern, sie mögen die Zelte aufbauen.
    „Wir könnten den Turm heute noch erreichen“, warf Halef Omar ein. Es war später Nachmittag, aber die Sonne würde nicht vor zehn Uhr nachts untergehen. „Nein, junger Freund“, erwiderte Hassan schmunzelnd. „Wir würden unser Ziel bei Anbruch der Nacht erreichen und dort lagern müssen. Und in der Dunkelheit können wir den Turm kaum begutachten. Ich ziehe es vor, gleich bei Sonnenaufgang weiterzureiten und den Turm bei hellem Tageslicht gründlich zu untersuchen.“
    Der Alte hatte natürlich recht. Sie sattelten die Pferde ab und machten sich daran, das Nachtlager zu errichten. Die drei Schwarzgekleideten übernahmen den größten Teil der Arbeit, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt. Halef fühlte sich nicht wohl dabei. Er war es gewohnt, seine Dinge selbst zu erledigen.
    „Macht Euch keine Sorgen!“ Hassan-i-Sabbah lächelte und blickte kurz zu den Männern in Schwarz hinüber. „Sie sind Siebenjährige und das gehört zu ihren Aufgaben.“ „Siebenjährige? Ihr wollt mir doch nicht weismachen, dass dieses keine ausgewachsenen Männer sind!“ Halef rollte die Decke neben dem Lagerfeuer aus und ließ sich darauf nieder. Der Alte setzte sich ihm gegenüber. Einer der Schwarzgekleideten reichte ihm einen Kessel mit Wasser, den der Alte an einer Stange über das Feuer hängte, das die Männer entzündet hatten. „Ihr Dienst dauert sieben Jahre und sieben Tage“, erläuterte der alte Mann. „Deshalb nennt man sie die ‚Siebenjährigen‘.“
    „Ihr Dienst? Sie sind Eure Diener? Eure Leibwächter?“ Halef wunderte sich, denn der Alte wirkte nicht wie einer, der solchen Schutz brauchte. „Sie sind Assassinen.“ Hassan-i-Sabbah musterte Halefs Züge genau und er registrierte, dass Halef bei dem Wort „Assassinen“ seine Augen weit aufriss. „Attentäter?“, fragte Halef Omar mit entsetzter Stimme. „Sie sind … gedungene Mörder?“ Hassan lachte und schlug sich auf die Schenkel. „Ich sehe, unsere Strategie wirkt, wie sie soll! Glaubt nicht alles, was Ihr hört, mein Freund!“ Der Alte hantierte mit einigen Bechern und Gläsern. Das Wasser im Kessel siedete und er bereitete fünf Gläser mit gesüßtem Tee zu. Er reichte drei nach hinten durch, einen reichte er Halef. Sie tranken den heißen, süßen Tee.
    „Die Assassinen sind Attentäter, zu jeder Tat bereit, selbstmörderisch, skrupellos und unaufhaltsam. Das ist es, was ihr glaubt, habe ich recht?“ Halef nickte. „So habe ich es allerorten gehört.“ Hassan-i-Sabbah nickte ebenfalls. „Das ist das Bild, das wir nach außen zeigen wollen, aber die Assassinen sind etwas völlig anderes. Wer Assassine werden will, muss mehr lernen als nur perfekt zu kämpfen und zu töten. Sprachen, Poesie, Religion sind ebenso wichtig und werden unterrichtet. Assassinen lernen, sich unterzuordnen und auch Befehle zu geben, sie üben sich im Lesen und Schreiben und in den mystischen Geheimnissen.“
    Hassan schüttete den letzten Schluck Tee mit dem Satz ins Gras. „Und warum Assassinen, Haschischesser?“, fragte Halef und versuchte sich zu entspannen. „Nun, darin liegt ein Körnchen Wahrheit. Wir essen es aber nicht, wir rauchen es. Es hilft, sich in die Mysterien zu vertiefen und öffnet den Geist für neue Sichtweisen. Die höheren Grade leiten die Anfänger an. Wir nehmen Hanf nur in einer kontrollierten Umgebung. Es geht darum, sich geistig weiterzuentwickeln, nicht darum, sich zu berauschen.“ Halef war nicht wirklich beruhigt, aber er glaubte dem Alten seine Worte. „Und Ihr seid ihr Lehrer?“
    Hassan-i-Sabbah nickte wiederum. „Einer von vielen. Ich unterrichte vorwiegend die Kampfkünste und ein wenig Meditation. Wir sind viele Lehrer auf Alamut, obwohl Ihr dort nicht viel gesehen habt. Wir bevorzugen es, im Geheimen zu wirken.“ Halef Omar hätte noch viele Fragen gehabt, aber er schwieg und hob sich die bohrenden Fragen für einen späteren Zeitpunkt auf. Der Mond war aufgegangen und die Männer legten sich zur Ruhe. Die drei Schwarzgekleideten hielten abwechselnd Wache, so, wie sie es schon die ganze Reise über getan hatten.
    Halef lag noch lange wach, als der Atem von Hassan-i-Sabbah schon von seinem Einschlafen zeugte. Die Gedanken rasten in seinem Kopf.

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