Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
ihrem Gesicht lag müde Verwunderung, wie sie der Alokohol hervorbringt oder ausschweifendes Reden über Probleme am Arbeitsplatz.
Mikael trank einen großen Schluck Bier. Durch das Glas sah die Tischrunde wie eine einheitliche Masse aus, wie gesichtslose Menschen, die feierten, jetzt oder vor einer Ewigkeit.
Was sind Saku Koivus, Ville Peltonens und …
Plötzlich wandte sich Maila über den Tisch hinweg an Mikael. Er verstand nur ein Wort. Saana .
Das musste ja kommen, dachte er und versuchte verzweifelt, auszuweichen, war froh, dass offenbar sonst niemand die Frage gehört hatte.
»Ganz gut. Man muss jeden Tag nehmen, wie er kommt«, sagte er und hoffte, dass das Gespräch damit beendet war.
»Das ist die richtige Einstellung«, nickte Maila. Ihr Gesicht war nett, wirkte schön in diesem Licht. »Bei meiner Schwester hat man vor zwei Jahren Brustkrebs entdeckt, und …«
Mikael bekam den Rest nicht ganz mit, nickte aber und brachte sein Bedauern seiner eigenen Einschätzung nach ohne zu stocken zum Ausdruck. Er überlegte fieberhaft, wie er das Gespräch abwürgen konnte, bevor die anderen sich daran beteiligten. Die Gelegenheit kam, als die Fragebögen eingesammelt wurden. Als sich die Kellnerin über den Tisch beugte, nutzte Mikael den Moment, um aufzustehen und sich am Tresen einweiteres Bier zu holen. Er hörte noch, wie Autio von der Kellnerin die richtige Antwort auf eine der Fragen wissen wollte.
Als der Wirt schließlich die Antworten zu verlesen begann, konzentrierten sich alle auf die Punktezählung.
»Das haben wir auf jeden Fall richtig«, sagte Stefu und klatschte in die Hände. »Elf, zwanzig und sechzehn.«
Mikael hielt sein Glas in der Hand, betrachtete den Bierschaum und spürte plötzlich ganz deutlich, dass im Mikrokosmos der Bewegung des Schaums, im Entstehen und Zerplatzen der Bläschen Mathematik steckte. Das Mikrofon pfiff, doch der Wirt fuhr mit fester Stimme fort, die Lösungen zu verlesen.
Die richtige Antwort lautet: Koivu, elf. Peltonen, zwanzig …
Die Antworten drangen in Mikaels betrunkenes Bewusstsein, als hätte der Wirt die Kosenamen seiner ehemaligen Freundinnen aufgezählt. Finnes fester Blick kam ihm in den Sinn. Der Bierschaum schwappte heftig, lief beinahe über den Glasrand.
… und Lehtinen, sechsundzwanzig.
Mikael begriff zuerst nicht, dass die letzte Nummer nicht ins Schema passte. Als es ihm bewusst wurde, erfasste ihn ein schwer zu beschreibendes Gefühl. War es Erleichterung oder Enttäuschung?
»Was, was, was!«, brüllte Stefu und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Aufgeregte Stimmen schwirrten durch die Kneipe. Die Kandidaten am Nebentisch warfen die Arme in die Luft und brüllten siegessicher wie bei fast jeder Antwort.
»Hallo!«, rief Stefu, die Hände wie einen Trichter um den Mund gelegt. »Lehtinen hat die Nummer sechzehn.«
Mikael sah ihn an und konnte sein Glas weder zum Mund führen noch auf den Tisch stellen.
»Nicht mehr«, lallte ein Mann im Trikot der finnischen Nationalmannschaft am Nebentisch. »Bei der NHL und in der Nationalmannschaft hat er die Nummer sechsundzwanzig.«
Stefu sprang so ungestüm auf, dass die Gläser auf dem Tisch klirrten.
»Halt du bloß die Fresse«, giftete er den Mann an und warf einen finsteren Blick zum Tresen, als hätte sich die ganze Welt gegen ihn und Ehrnrooth verschworen. »Die richtige Antwort ist elf, zwanzig und sechzehn.«
Stefus Stirn stieß beinahe an die Hängelampe über dem Zapfhahn. Das Licht schaukelte hin und her, zog den Schatten auf Stefus Gesicht in die Länge und ließ ihn wieder schrumpfen.
»Elf …«
Mikael stellte sein Glas ab. Die Tischrunde erschien ihm wie eine seltsame Gemeinde, von einem Mann, der unbeirrt Zahlen herunterleierte, seltsam in den Bann geschlagen.
»Zwanzig …«
Mikael wurde übel. Er wischte mit der Hand Bier von der Tischfläche, wollte, dass alles ordentlich war.
»Sechzehn.«
Unbeholfen stand Mikael auf. »Ich muss gehen«, murmelte er.
»He«, sagte Autio und hob die Hand, als tastete er nach dem Arm eines verängstigten Patienten. »Bleib doch, es wird schon nichts passieren.«
Mikael wusste, was Autio dachte. Dass er durch den Zwischenfall mit Aulis traumatisiert war. Bestimmt hatte er Mikael die ganze Zeit für ein von Granaten verschrecktes menschliches Wrack gehalten, das von der Front in die Schreibstube versetzt worden war.
Mikael wollte keine Erklärungen abgeben, obwohl er auf den Gesichtern seiner Kollegen eine Mischung aus
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