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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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vor keinem Kollaps!«
    »Nenn es, wie du willst.« Willems Stimme kam jetzt aus der Mitte der Werkstatt. »Ich meine, du wirst zugeben müssen, dass du in letzter Zeit, sagen wir mal, etwas unzugänglich warst.«
    »Ich? Das lag nur an dem Flug nach Berlin.«
    »Tatsächlich?«, sagte Willem. »Jetzt hast du ihn doch aber hinter dich gebracht und bist noch immer gereizt.«
    Ivy stöhnte auf. »Ja, weil ich unter Zeitdruck stehe!«
    »Ich meine ja nur«, es raschelte, als würde Willem in einer Plastiktüte etwas suchen, »dass jede unserer Persönlichkeiten nach einer speziellen Behandlung verlangt. Und Jesses Wesen nähere ich mich eben über die Dunkelheit. Ich empfange sozusagen seine Schwingungen, indem ich sein T-Shirt betaste, das er uns am Wochenende aus Austin per UPS hat zukommen lassen. Möchtest du mal daran riechen? Was würdest du sagen, welches Aftershave er benutzt? Dior Homme Sport? Das hab ich mir damals bei Macy’s in New York gekauft, als ich da war, um die Maße von Brian Adams zu nehmen. Ist schon ein paar Jährchen her. Ich schätze, Mitte der Neunziger. Und neulich, im März, hat er erst seinen Stern auf dem Walk of Fame bekommen, und gerade ist er zum ersten Mal Papa geworden. In seinem Alter! Das ist hart! Also, willst du mal riechen?«
    »Nein, danke! Können wir jetzt wieder das Licht anschalten und die Rollos nach oben ziehen? Ich muss mich an die Arbeit machen.«
    »Schenk mir noch zehn Minuten. Bitte.«
    »Was soll der Quatsch?!«
    »Bitte!«
    Ivy ließ sich seufzend auf ihren Drehhocker nieder, der an ihrer Arbeitsplatte stand, und starrte ins Dunkel der Werkstatt. Die Minuten verstrichen unglaublich zäh. Hier, in der absoluten Schwärze, ging einem jegliches Gefühl für Zeit verloren. Vielleicht war schon längst wieder Abend. Gleich würde sie hinuntergehen und sich neben den Imbiss stellen und nach Desmond Ausschau halten. Wenn er heute nicht kam, würde er vermutlich nie kommen. Hatte er überhaupt erwähnt, wie lang er in der Stadt blieb? Wenn sie sich nicht gleich neben den Imbiss stellte, er aber dort vergeblich nach ihr Ausschau hielt, würde er vermutlich denken, sie hätte ihm absichtlich eine Falschauskunft gegeben. Er würde sie für eine Lügnerin halten und keine weiteren Anstrengungen unternehmen, sie zu treffen. Würde sie Desmond dort unten begegnen, wäre alles klar. Jeder weitere Schritt. Für ihn, das beschloss Ivy jetzt, würde sie tatsächlich einen Flug auf sich nehmen. Ein Risiko für die Liebe.
    Was Nathalie vorhin schon wieder so Dringendes von ihr gewollt hatte? Vermutlich sichergehen, dass Ivy noch am Leben war. Diese ständige Sorge ihrer Schwester musste endlich aufhören. Momentan war Ivys Dasein schließlich vollkommen risikofrei. Risiken ging man erst mit einem Partner ein. Nathalie sollte sich auf ihre Familie konzentrieren. Endlich hörte sie Willem aus der entgegengesetzten Werkstattecke seufzen: »Na, dann wollen wir mal. Bist du bereit? Ich mache das Licht an.«
    Doch bevor er dazu kam, spielte sein Mobiltelefon in der Kitteltasche den rockigen Hip-Hop-Jingle der Jesse-James-Motorradshow Monster Garage . Erschrocken ließ Willem Jesses T-Shirt sinken. »Entschuldige, mein Handy!«
    Er griff in seine Kitteltasche, zog das Telefon hervor und blickte auf das bläulich leuchtende Display. »Was will der denn?«
    Ivy war aus ihrer Schläfrigkeit erwacht und riss die Augen auf, in der Hoffnung, auf diese Weise mehr zu sehen als nichts. »Was ist los?«
    »Keine Ahnung. Es ist Mister Fortier.« Willem klang alarmiert.
    »Na, dann geh doch dran.«
    »Hinterher will er mich feuern.«
    »Wieso sollte er?«
    »Weiß ich doch nicht.« Willem stöhnte. »Vielleicht, weil ich mich dauernd über alles Mögliche beklage.«
    »So ein Schwachsinn.«
    Willem nahm den Anruf entgegen und verlieh seiner Stimme einen geerdeten Tonfall. »Mister Fortier! Wie geht es Ihnen? Was kann ich für Sie tun?« Er lauschte. Schließlich räusperte er sich, doch das half nicht viel. Er brachte kaum einen Ton heraus, vor lauter Anspannung bekam er nicht richtig Luft. Regelmäßig, wenn Fortier ihn auf seinem Handy anrief, brach unter der Anspannung sein limbisches System zusammen. Er hauchte: »Sekunde, bin gleich bei Ihnen.«
    Es schepperte, dann wurde die Werkstatttür mit Schwung aufgezogen. Augenblicklich verbreiterte sich der hereinfallende Lichtbalken. Ivy sah Willems massige Silhouette, die sich hinaus in den ketchuproten Flur bewegte.
    Hinter ihm fiel die Feuerschutztür

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