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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Clark.«
    »Oh …« Willem schoss das Blut in den Kopf. Schweißflecken bildeten sich unter seinen Achseln.
    »Wenn Sie die obere Schublade meines Schreibtisches aufziehen, müsste er da direkt neben den Büroklammern und dem Klebestift liegen.«
    Willem blickte sich Hilfe suchend um, in der Hoffnung, Mister Fortiers Assistentin Nicky würde wie durch Zauberei hinter ihm auftauchen. Doch er war ganz allein mit seinem Chef. »Sie meinen, ich soll an Ihren Schreibtisch gehen?«
    »Ja, bitte! Ziehen Sie die Schublade auf.«
    Willem trat an den klobigen Schreibtisch heran, der wie eine Kopie des Resolute Desk aus dem Oval Office aussah, und zog am Messingring der schweren Schublade, die nur widerspenstig hervorruckte. Tatsächlich. Dort, auf dem dunkel gebeizten Holz, neben den bunten Büroklammern, lagen zwei Schlüssel an einem roten Band. »Ich nehme die beiden Schlüssel jetzt heraus, ja?«
    »Absolut.« Fortier lächelte in Willems Richtung. »Mit dem einen kommen Sie durch die Besuchereingänge, mit dem anderen können Sie die Personaltür aufschließen, sollten Sie wieder einmal als Letzter gehen.«
    »Oh, danke!« Willem hätte jetzt gerne Mister Fortier liebevoll umarmt oder zumindest glücklich und ergeben angelächelt. Nur leider hielt er ja noch immer seine Lider geschlossen. Wie also, wie teilte man einem Blinden mit, dass man sich freute? Vermutlich, indem man es aussprach. »Ich freue mich sehr! Und entschuldigen Sie, dass ich gerade etwas, nun ja, laut geworden bin. Das war nicht persönlich gemeint.«
    »Vergessen Sie’s!« Mister Fortier schien mit einem Mal etwas ungeduldig. »Ich hätte nur eine Bitte: Sie wissen, dass ich nur äußerst ungern Schlüssel von unserem Haus verteile. Das mögen manche der Angestellten als albern oder unlogisch empfinden. Doch ich weiß eben gerne, wer Zutritt zum Haus hat und wer nicht. Diese beiden Schlüssel zu besitzen, lieber Mister Clark, dürfen Sie als echte Auszeichnung oder Anerkennung für Ihre außerordentliche Arbeit verstehen. Ich freue mich, einen derart engagierten Bildhauer bei uns zu wissen. Achten Sie gut auf die Schlüssel.«
    »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Mister Fortier.« Willem presste ergriffen die Lippen zusammen. Ich werde Sie nicht enttäuschen, Mister Fortier. Das klang vielleicht etwas unterwürfig. Sei’s drum. Er besaß nun endlich eigene Schlüssel. Das war das Größte! Das Beste! Nur: Wem sollte er davon erzählen? War dieser Besitz am Ende geheim? Willem trat noch ein Stück näher an seinen liegenden Chef heran, dabei kratzte er sich hilflos hinter dem Ohr. »Darf ich meiner werten Kollegin Ivy Bachmann davon erzählen? Oder besser nicht?«
    »Wie Sie wollen. Ich halte nichts von Geheimnistuerei. Es ist meine Entscheidung, Ihnen ein Paar Schlüssel zu geben, also zeigen Sie es stolz herum.«
    Willem nickte. Dieser Fortier bauschte die Angelegenheit jetzt doch übertrieben auf; oder wollte er Willem am Ende auf den Arm nehmen? Das ließ sich so schlecht einschätzen, wenn das Gegenüber mit geschlossenen Augen dalag. Oder war das schon Teil des durchtriebenen Scherzes, den Mister Fortier sich mit ihm erlaubte? Willem schluckte. »Sie machen aber keinen Witz mit mir, oder?«
    »Niemals!« Fast hätte Fortier vor Erstaunen die Augen aufgeklappt. Und bevor er sich stoppen konnte, verriet er sich selbst: »Im Gegenteil. Ich dachte eher, Sie sind mein Verbündeter und können mir sagen, ob sich Ivy Bachmann in einer festen Bindung befindet.«
    Collin Fortier riss vor Schreck und Scham die Lider auf. Jetzt war es passiert! Er hatte die Frage gestellt, die er nie hatte stellen wollen. Er riss die Augen auf und starrte in Willems verblüfftes Gesicht, das mit hektischen roten Flecken übersät war. »Soweit ich weiß nicht.«
    Am frühen Nachmittag saß Ivy auf der anderen Seite der Marylebone, ein Stück die Straße hinunter, im düsteren Gastraum von The Globe und löffelte eine Kürbiscremesuppe, nachdem sie im Nieselregen an den Architekturstudenten, die in Trauben rauchend vor dem Hochschulgebäude gestanden hatten, mit hängenden Schultern vorbeigeschlurft war. Vierzig Minuten hatte sie dort vergeblich neben dem Hotdogimbisswagen im Wind ausgeharrt und nach Desmond Ausschau gehalten. Endlose Touristenströme waren aus den korpulenten Reisebussen geflossen und hatten sich schäumend und schwappend durch die drei Eingangstüren ins Innere von Madame Tussauds gewunden. Zuerst war Ivy voller Hoffnung gewesen, Desmond zwischen all den

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