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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Leuten in den bunten Windjacken zu entdecken. Von zärtlicher Vorfreude getragen hatte sie sich ausgemalt, wie sie die Hand ganz leicht zum Gruß heben und ihm mit klopfendem Herzen entgegenlächeln würde, während er sich in Zeitlupe zwischen den Menschen zu ihr durcharbeitete. »Ich habe gewusst, dass du hier auf mich warten würdest.«
    »Ja«, hätte sie gelacht. »Und ich komme mit zu deinen Eltern nach North Carolina.«
    Nur leider war er nicht gekommen.
    Normalerweise aß Ivy in Restaurants keine Gemüsesuppen und eigentlich auch keine Burger, die mit Salatblättern oder Tomaten garniert waren, und erst recht nicht gedünstetes Gemüse, das sie nicht selbst bei Planet Organic eingekauft hatte. Im Guardian hatte sie neulich gelesen, dass ein Cox-Orange-Apfel während seines Reifeprozesses bis zu sechzehnmal mit sechsunddreißig verschiedenen Pestiziden behandelt wurde. Gerade als Ivy beim Kellner die Rechnung bestellen wollte, kam Alice im Regenmantel zur Tür herein und entdeckte Ivy sofort, die in ihrer angestammten Ecke saß. Ihre nussbraunen Haare legten sich in feuchten Wellen um ihren Kopf. »Verzeih, dass ich so spät bin. Ich habe leider den Fehler gemacht, Dave noch schnell auf einen Tee im Duke of Wellington, dahinten beim Salisbury Place, zu treffen. Und natürlich haben wir uns bereits nach fünf Minuten entsetzlich gestritten.«
    Ivy setzte das mitfühlendste Gesicht auf, das ihr zur Verfügung stand. »Worum ging’s denn dieses Mal?«
    Alice ließ sich ihr gegenüber auf den Stuhl plumpsen und nahm in der Abwärtsbewegung die Speisekarte hoch. »Ich habe nur gesagt, dass ich mir wünsche, dass wir abends öfter mal gemeinsam etwas unternehmen. Ins Restaurant gehen oder …«
    Ivy tunkte ein Stückchen Brot in ihre Suppe. »Sag mal, wollen wir ausnahmsweise ein Glas Wein trinken?« Wen interessierte das, ob sie sich komplett zerstörte? Dieses krampfhafte Attraktivbleiben – für wen? War das nicht Anbiederung an einen Unbekannten, womit hatte der das eigentlich verdient?
    »Mitten am Tag?« Alice lachte. »In einer halben Stunde kommt mein nächster Patient. Nicht, dass ich den am Ende mit meinen Problemen vollquatsche.«
    »Dann nicht.« Ivy zuckte müde mit den Schultern. »Und was hat Dave darauf erwidert?«
    »Er meint, er würde liebend gerne mit mir etwas unternehmen, was aber ja nicht möglich sei, da ich abends manisch immer Thriller lesen würde. Aber, Ivy! Meine Thriller lese ich doch nur, weil Dave die ganze Zeit vor seinem Computer hockt und Joints raucht.«
    Ivy gab dem Kellner ein Zeichen und bestellte sich einen Chardonnay. »Dann lies doch mal einen Abend nicht in deinem Thriller und guck, was passiert.«
    Alice nahm sich aus dem Brotkorb, der zwischen ihnen auf dem Tisch stand, das letzte Stück Baguette heraus und zerpflückte es zwischen den Fingern. »Er meint, wir würden uns nur deswegen dauernd streiten, weil ich abends meine Thriller lese. Er sagt, die peitschen mich auf!«
    »Wieso peitschen die dich auf?«
    Alice schüttelte unwillig den Kopf. »Was weiß ich? Er hat wohl neulich mal in einem herumgeblättert und meinte, sich daraufhin eine Meinung bilden zu können, die da lautet, dass die darin beschriebene Brutalität unweigerlich Aggressionen bei mir schürt.«
    »Und? Was sagst du als Psychologin dazu?«
    »Ich halte das für vollkommenen Schwachsinn. Ich kann ja wohl noch zwischen Fiktion und Realität unterscheiden. Es ist sogar eher so, dass ich es mit Hilfe der Thriller schaffe, meine angestaute Wut auf Dave abzubauen. Ich weiß überhaupt nicht, wie er auf so einen Gedanken kommt. Du müsstest mich sehen! Ich liege ruhig auf dem Sofa und lese. Und wenn ich müde bin, frage ich mit Engelsstimme, ob wir uns jetzt noch ein wenig zusammen ins Bett kuscheln wollen. Aber Dave fühlt sich von mir dann sofort unter Druck gesetzt …«
    Und während Alice entschieden feststellte, dass sie an ihren Gepflogenheiten festhalten würde, fing Ivy an zu weinen. Um all das, was sie bereits in ihrem Leben hatte loslassen müssen. Die Tränen glitten an ihrem Nasenrücken hinunter, tropften auf den Tellerrand, flutschten in den Suppenteller hinein und vermengten sich mit der restlichen orangefarbenen Kürbissuppe.
    Alice schlug sich erschrocken auf den Mund. »Ivy! Was ist denn? Ich quake hier so herum und merke gar nicht, dass es dir nicht gut geht. Was ist denn los?«
    Schnell kam sie in ihrem knarzenden Regenmantel um den Tisch herum, setzte sich zu Ivy auf die Bank und nahm

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