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Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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hin. »Den, der das hier geschrieben hat, hätten Sie mal interviewen sollen! Hugo Pratt, kennen Sie den vielleicht? Der war auch ’n Genie. Ist leider schon 1995 gestorben.«
    »Nein, tut mir leid«, sagte Andernach, »Comics sind nicht so mein Ding. Als Junge habe ich zwar eine Zeitlang eifrig Batman
-
und Superman
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Heftchen gelesen, aber das war es dann auch schon, sorry!«
    »Na ja, hätt ja sein können«, sagte Raik und nahm sein Heft wieder herunter. Und weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen können, fragte er: »Seit wann machen Sie das mit diesen Interviews?«
    »Schon seit Jahren«, sagte Andernach. »Anfangs nur fürs Radio, später auch für Zeitungen und Magazine.«
    »Und davon kann man leben?«, fragte Fitzek, der die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatte.
    »Nicht alleine von den Interviews«, sagte Andernach. »Ich schreibe in der Regel Rezensionen.«
    »Das heißt, Sie schreiben über Bücher?«
    »Ja«, sagte Andernach. »Von Griffin zum Beispiel habe ich alle Bücher besprochen.«
    »Und das macht Ihnen Spaß? Dauernd über die Bücher von anderen Leuten zu schreiben?«, sagte Raik.
    »Na ja«, sagte Andernach ausweichend und holte plötzlich sein iPhone hervor, drückte einen Knopf, blickte kurz auf das Display und schob das Gerät in die Tasche zurück.
    »Wieso schreiben Sie nicht selbst mal ein Buch?«, sagte Raik. »Dann können die anderen über Sie schreiben.«
    |257| »Ja«, sagte Fitzek. »Haben Sie das schon mal versucht?«
    Andernach erhob sich, ging ein paar Schritte und warf das zu einem winzigen Päckchen zusammengefaltete Butterbrotpapier in den Abfalleimer, machte kehrt und blieb vor Fitzek stehen, der ihn erwartungsvoll ansah. Dann zog er ein helles Tuch aus seiner Hosentasche, nahm seine eckige Brille ab und putzte ausgiebig die Gläser.
    Daraufhin sagte Raik, der Andernach ebenfalls die ganze Zeit angesehen hatte: »Und? Haben Sie?«
    Andernach faltete das Tuch zweimal, steckte es wieder in die Tasche, setzte seine Brille auf und sagte unwirsch: »Ja, wenn Sie es genau wissen wollen!«
    »Und?«, sagte Raik. »Haben die anderen drüber geschrieben?«
    Andernach zögerte. Doch dann sagte er: »Ja, haben sie! Ist die Frage damit beantwortet?«, und fing wieder an, auf und ab zu gehen.
    »Warum sind Sie denn so schlecht gelaunt?«, fragte Fitzek. »Haben Sie unsere Nachfragen gekränkt oder gar einen wunden Punkt berührt?«
    »Lassen Sie dieses Psychologen-Gerede, ja!«, sagte Andernach und blieb mitten im Raum stehen. »Ob und was ich schreibe, ist ganz alleine meine Sache, okay!«
    Raik suchte Fitzeks Blick. Dann wandte er sich an Andernach: »Ist doch auch ganz egal, worüber Sie geschrieben haben.«
    »Nein, das ist es nicht!«, sagte Andernach energisch und begann wieder herumzugehen.
    |258| »So?«, sagte Fitzek. »Dann erzählen Sie uns doch mal, worüber Sie geschrieben haben.«
    »Soll das jetzt vielleicht ein Verhör werden?« Andernach blieb erneut stehen. Sein Blick hatte sich verfinstert.
    »Aber nein, Herr Andernach«, sagte Fitzek. »Ich sehe nur, dass Sie sich mit der Beantwortung einer ganz gewöhnlichen Frage offensichtlich sehr schwertun, und frage mich natürlich, was der Grund dafür ist.«
    »Sie wollen den Grund wissen?«, sagte Andernach plötzlich angriffslustig. »Ja? Wollen Sie das?«
    »Ja«, sagte Raik und sah Fitzek an.
    »So? Na, dann hören Sie beide jetzt mal genau zu: Das Meiste von dem, was man heutzutage in Buchhandlungen kaufen kann, ist Mist. Und die sogenannten Schriftsteller, die es produzieren, sind verdammte Heuchler. Zwar behaupten die meisten von ihnen, es käme ihnen darauf an, Kunst zu produzieren. Doch in Wahrheit sind sie nur auf eines aus, auf Geld!« Andernach redete sich in Rage, in seinen Augen glänzte eine lüsterne Wut. »Ich mag und bewundere Schriftsteller, die tatsächlich etwas zeigen, das wir so noch nicht gesehen haben. Eine bislang verborgene Schönheit, einen so noch nicht gedachten Gedanken, ein so noch nicht gelesenes Bild. Doch das Meiste, was ich sehe, täuscht Schönheit nur vor. Und wagt nichts! Oder es gaukelt uns eine Wirklichkeit vor, die in Wahrheit so überhaupt nicht existiert. Eine Phantasiewirklichkeit. Wenn ich keine Schönheit und keine Wirklichkeit sehe, sind sie auch nicht da. Und all diese |259| Pseudoschriftsteller, die hinterher behaupten, missverstanden worden zu sein, sind fast immer schlecht. Sie sind schlechte Schriftsteller, die sehr wohl verstanden wurden.«
    Hier machte er eine

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