Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
sie wie verrückt von dem fantastischen Wetter und wünschten sich beim ersten kühlen Herbstwind hierher zurück.
Einen Platz zum Essen zu finden war schwierig, denn sämtliche Cafés waren überfüllt. In den Geschäften war es nicht besser, so dass es fast unmöglich war, hineinzugehen und sich umzusehen.
»Wer ist noch dafür, langsam zum Shuttle-Bus zurückzugehen?«, fragte Roz. Ihr Vorschlag wurde begeistert aufgenommen.
Sie schlenderten zum Pila-Tor zurück, als sie ein vertrautes »Hallo!« aus einem Café weiter vorn hörten. Dort saßen Eric und Irene unter einer gestreiften Markise bei Pasta und Zwetschgenschnaps.
»Was denn, ihr trinkt um diese Zeit?«, schalt Frankie sie schmunzelnd.
»Wir haben es uns verdient«, sagte Eric.
»Wir sind eben die ganze Stadtmauer abgelaufen«, erklärte Irene und prostete ihnen zu.
»Warum macht ihr so was?«, fragte Roz, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Seid ihr irre?«
»Wir wollten uns selbst beweisen, dass wir es können«, antwortete Eric. »Bis später, die Damen. Heute Abend ist Gala, nicht vergessen!«
Lächelnd zogen die vier weiter und ließen Eric und Irene ihre wohlverdienten Nudeln genießen. Je näher sie dem Onofrio-Springbrunnen kamen, umso dichter wurde das Gedränge. Sie stellten sich in die Schlange der Touristen, die durch das innere Pila-Tor aus der Stadt wollten. Das Problem war, dass ebenso viele Leute hinein strebten, und plötzlich wurde die Menge zu einem unentwirrbaren Knäuel, so dass sich nichts mehr bewegte. Ven wehrte sich gegen einen Mann, der sie vorwärtsschieben wollte, wo sie jedoch nirgends hin konnte. Roz bemerkte, wie Frankie beide Arme schützend vor ihrer Brust verschränkte, und versuchte, nach ihr zu greifen. Für Frankie, die zu klein war, als dass sie über die Köpfe der anderen sehen konnte, musste es noch beängstigender sein als für sie. Frankie schrie auf, als jemand vor ihr einen Schritt zurück machte und ihr seinen Ellbogen in die Brust stieß.
»Roz, ich kann mich nicht bewegen!«, rief sie.
Roz stolperte und wurde von einem großen Kerl weiter von Frankie weggestoßen, der jammerte: »Mir ist schlecht. Ich muss hier raus!« Dabei wedelte er hilflos mit den Armen. Roz hätte ihn treten können, den egoistischen Idioten. Inzwischen konnte sie Frankie nicht einmal mehr sehen, hörte allerdings Ven rufen: »Roz, bist du da?« Dank dem bescheuerten Riesenkerl war sie inzwischen ein ganzes Stück von ihren Freundinnen entfernt. Für einen Sekundenbruchteil erspähte sie Frankie, die von der Masse verschluckt wurde, und sicherlich schon keine Luft mehr bekam vor lauter Panik. Höfliche englische Stimmen sagten: »Das ist doch unmöglich«, während in anderen Sprachen harschere Töne zu hören waren.
Mitten im dichtesten Gewühl weinte Frankie. Jeder um sie herum war mindestens einen Kopf größer und zu eifrig bemüht, aus der Stadt zu kommen, als dass er auf irgendwen Rücksicht nahm. Sie war zwischen zwei kräftigen Kerlen eingeklemmt und konnte nichts dagegen tun, dass der Typ hinter ihr sie erbarmungslos gegen den vor ihr drückte. Dann auf einmal ertönte ein sehr englisches: »Hey, mal sachte!« Drei große männliche Gestalten schoben sich mit beachtlicher Kraft in die Menge und dirigierten die Gruppe der Touristen, die nach draußen wollten, auf die linke Seite, die Hereinströmenden auf die rechte. Zwei der Männer erkannte Frankie sofort wieder. Es waren Freddy und dessen Vater aus Vaughans Truppe. Der dritte, der sogar den Kerl vor ihr um einiges überragte, war glattrasiert mit einem leichten Bartschatten, hatte schulterlanges, nach hinten gegeltes blondes Haar und ein großes keltisches Tattoo. Vaughan?
»Wir kommen alle sehr viel schneller voran, wennSie zu drängeln aufhören«, rief er in seiner lauten Thor-Gewitter-Stimme – und selbst diejenigen, die kein Englisch verstanden, dürften begriffen haben, was er sagte. Er streckte einen Arm nach Frankie aus, hob sie zu sich und schirmte sie mit seinem starken Arm ab. Er konnte gerade noch »Alles gut« sagen, ehe Frankie fühlte, wie um sie herum wieder Luft war und Roz von der anderen Seite des Torbogens ihren Arm packte. Sie konnte wieder atmen. Eine Weile lehnte sie sich an die Mauer, um ihr rasendes Herz zu beruhigen. Nun kam auch Olive heraus, gefolgt von Ven, die mit ihrem Ellbogen nach jemandem hieb, der ihr auf den Fuß getreten war.
»Alles klar mit dir?«, fragte Ven sie. Ihre Freundinnen wussten, dass
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