Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
Vom Netzwerk:
auch für Benjamin, der erst das spurlose Verschwinden seiner Freundin hatte verarbeiten müssen, dann den Fund ihrer Leiche und dass seine Ma, wie er sie liebevoll nannte, angefahren worden war. Heide sah aus, als hätte eine Motorradgang sie verprügelt. Jetzt behauptete er auch noch, etwas mit diesem Autounfall mit Fahrerflucht zu tun zu haben. Es reichte ihr!
    Sie verstärkte den Druck ihrer Hand und sagte leise, aber bestimmt: „Ich will sofort wissen, was los ist! Hast du das gehört? Du wirst mir augenblicklich alles erzählen. Alles!“
    „In meinem Zimmer.“ Er streichelte seine Ratte so aufgeregt, dass Marie befürchtete, das Tier könnte sich bedroht fühlen und ihn beißen, doch das geschah nicht. Kobold schien genauso großes Vertrauen in Ben zu haben wie Marie, aber das ihre begann zu bröckeln.
    „In Ordnung.“ Nickend ließ sie ihn los, worauf er aus der Küche eilte und in seinem kleinen Refugium verschwand. Sie selbst trug den Kaffee ins Wohnzimmer, goss ruhiger, als sie in Wahrheit war, zwei Tassen voll und stellte die Kanne auf den Couchtisch.
    „Willst du nichts?“ Ihre Tante hob ihre Augenbrauen.
    Die langärmelige Bluse verbarg zwar die meisten Blessuren. Nur am Hals und an der Wange waren Kratzer und Hämatome zu sehen, aber die reichten schon, damit Maries Herz schwer wurde. Heide Mannteufel war eine warmherzige Frau, die ihre Karriere für Benjamin aufgegeben hatte, was ihre erfolgsorientierten Eltern bis heute missbilligten. Einzig die Tatsache, dass Heides Mann Hans-Joachim als Firmen-Versicherungsmakler über ein ansehnliches Einkommen verfügte, versöhnte ihre Mutter und ihren Vater etwas. Ben machte es ihr in letzter Zeit auch nicht gerade leicht. Sie hatte einen Aufenthalt in einem Wellnesshotel verdient, nicht in einem Krankenhaus. Was hatte er nur angestellt?
    „Später. Ich muss erst Ben bei etwas helfen.“
    „Jetzt?“ Heide nahm die Tasse an, die Marie ihr reichte, damit sie sich nicht unter Schmerzen erheben musste. „Kann das nicht warten?“
    „Tut mir leid. Es dauert sicher nicht lange.“ Bevor ihre Tante weitere Fragen stellen konnte, verließ Marie das Wohnzimmer.
    „Red ihm ins Gewissen, dass eine Ratte kein Haustier ist“, rief ihre Mutter ihr hinterher. „Die Viecher sind unhygienisch und dieser nackte, dicke lange Schwanz ist ekelig.“
    Marie sparte sich eine Antwort, denn darüber hatten sie schon zu oft diskutiert. Alle waren gegen Kobold, auch Heide und Hajo, aber zu ihrem Erstaunen hatte sich Benjamin durchgesetzt, was sie als erstes Zeichen, dass er erwachsen wurde, wertete. Er hatte noch ein Babyface, wenn auch ein hübsches in ihren Augen, und er wusste noch nicht recht, was er vom Leben wollte. Doch hin und wieder blitzte der Mann durch, der er einmal sein würde. Hoffentlich hatte ihm nicht genau das Ärger eingebracht.
    Sie trat in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Was hast du angestellt?“
    Ben küsste Kobold zwischen den Ohren. Behutsam setzte er ihn auf den Käfig.
    „Was hast du deiner Mutter angetan?“ Sanft, aber bestimmt drehte sie ihn zu sich herum.
    „Gar nichts! Ich saß nicht hinterm Steuer. Ehrlich“, presste er mit aufgerissenen Augen hervor. „Wie kannst du nur so etwas von mir denken?“
    Diesmal wirkte sein Hundeblick nicht. Er war längst nicht mehr der unschuldige Ben aus Kindheitstagen. Das war ihr damals bewusst geworden, als sie herausfand, dass er kiffte. Keinesfalls hieß sie das gut, aber jetzt erst machte sie sich das erste Mal ernsthaft Sorgen um ihn. „Im Moment erkenne ich dich kaum noch wieder.“
    „Ich mich selbst auch nicht“, murmelte er mehr zu sich selbst als zu ihr. „Aber ich habe sie nicht über den Haufen gefahren.“
    „Worum geht es dann?“, fragte sie und wertete die roten Flecken auf seinen Wangen als schlechtes Zeichen.
    Er ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen, als wäre plötzlich jegliche Kraft aus seinen Beinen gewichen. „Ich bin trotzdem schuld an dem, was ihr passiert ist.“
    Marie verstand kein Wort. „Wie ist das möglich?“
    „Der Unfall“, ohne sie anzuschauen, malte er Anführungszeichen in die Luft, „war gar keiner.“
    Vor Schreck schoss das Adrenalin so stark durch ihren Körper, dass ihr schwindelig wurde, doch sie bekam sich schnell wieder in den Griff. „Was willst du damit sagen?“
    Er beugte sich weit vor und stützte die Ellbogen auf seinen Oberschenkeln ab, wie Marie vermutete, um ihrem Blick auszuweichen. Seufzend raufte er sich die

Weitere Kostenlose Bücher