Leidenschaft der Nacht - 4
Raubtierversion eines Lächelns. »Dieser Gedanke gefällt mir.« Und wie er ihr gefiel! Verteufelt gut sogar. Wenn sie James allein fanden, brauchte sie Reign nicht zu verraten. Und sie wäre dabei, um die Entführer zu sehen, wenn ihnen klarwurde, dass ihr Plan sie geradewegs in die Hölle beförderte.
Wohin sie die Schurken persönlich schicken würde!
Kapitel 10
Sie hatte ihm nicht gesagt, welches Lösegeld sie verlangten.
Diese kleine Informationslücke fiel Reign erst auf, nachdem sie die aktuellen Anweisungen der Entführer erhalten hatten und sein Stadthaus erreichten. Olivia hatte es ihm nicht gesagt, und idiotisch, wie er war, hatte er nicht gefragt.
Dass er sich im Bezug auf sie fortwährend eine solche Nachlässigkeit erlaubte, sollte ihm mehr Sorge bereiten, als es tat. Er traute ihr nicht, aber er würde sich nie vergeben, wenn ihr etwas zustieß, das er hätte verhindern können.
Und sollte sie seinen Tod wollen, hätte sie längst schon versucht, ihn umzubringen.
Das bedeutete keineswegs, dass sie ihm nicht eine Rolle in dieser Scharade zugedacht hatte. Wie er seine Frau kannte, sparte sie sich das, was für ihn vorgesehen war, bis ganz zum Schluss auf.
Sechshundert Jahre hatten ihn recht blasiert gemacht, was die Wertschätzung des Lebens anging. Zwar freute er sich nicht unbedingt auf den Tod, aber die Aussicht darauf trieb ihn auch nicht mehr so an wie in seinen Tagen als Sterblicher, die er sämtlichst gelebt hatte, als könnte jeder von ihnen sein letzter sein. Andererseits war er nicht komplett verblödet. Wenn Olivia anfing, sich richtig merkwürdig zu benehmen, musste er auf der Hut sein. Und im Grunde seines Herzens hoffte er, sie würde es sich noch einmal überlegen.
Watson wartete in der Diele auf sie. Er war ein hagerer mittelgroßer Mann mit lockigem blonden Haar und strahlend blauen Augen. Reign fand ihn stets ein wenig zu frohgemut für einen anständigen Butler, doch der junge erwies sich in seiner Stellung als verdammt gut.
»Da wartet ein junger Herr auf Sie im Salon, Sir.«
»Um diese Zeit?« Reign sah auf seine Taschenuhr. »Wer zum Teufel ist es?«
»Mr. George Haversham, Sir.«
Olivia packte seinen Arm. »Das ist einer der jungen, mit denen James zusammen war, als er entführt wurde. «
Einer aus Dashbrookes Gruppe also. Dashbrooke mussten sie noch besuchen, zumal er sich seit ihrer ersten Begegnung nicht gemeldet hatte. Vielleicht war Haversham hier, um sie auszuhorchen.
»Danke, Watson. Wir gehen zu ihm. « Er warf Olivia, die immer noch den Umschlag aus der Kutsche in der Hand hielt, einen Blick zu. »Gib mir den Brief - ich möchte nicht, dass Haversham ihn sieht.«
Wie nicht anders erwartet, fragte sie ihn nicht nach dem Grund, sondern reichte ihm den Umschlag. Störrisch und schwierig, wie sie bisweilen sein konnte, war sie doch vernünftig. Er steckte den Brief in seine Weste. »Dann sehen wir einmal, was der junge Mr. Haversham von uns will.«
»Denkst du, er könnte etwas über James wissen?«, fragte Olivia, die sich bei ihm einhakte, während sie den Korridor hinuntergingen.
»Das bezweifle ich. Eher wird er herausfinden wollen, was wir wissen - ob wir Dashbrooke verdächtigen.«
»Du hältst ihn für einen Spion?«
»Ja.«
Er bemerkte, wie sie ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. »Ich habe den Eindruck, dass du sehr viel misstrauischer bist als ich.«
»Möglicherweise habe ich mein Vertrauen zusammen mit meiner Menschlichkeit eingebüßt.« Er hatte ihre Bemerkung nicht vergessen, dass er sich übertriebene Mühe gab, nach außen hin menschlich zu erscheinen. Sie mochte damit recht haben, doch das würde er gewiss nicht zugeben.
Olivia sah zur Wand neben sich und gab vor, das Gemälde dort zu studieren, das auf der creme-grün gestreiften Tapete hing. »Ich möchte mich entschuldigen, sollte ich deine Gefühle verletzt haben.«
Reign schnaubte leise. »Es braucht einiges mehr, um mich zu verletzen! « Was natürlich gelogen war. Sie konnte ihn mit einem Fingerschnippen bis ins Mark treffen.
Nun drehte sie sich wieder zu ihm. Jahrelange Gewohnheit wollte, dass er ebenfalls stehen blieb. »Haben die Jahrhunderte dich auch gegen Schmerz gefeit gemacht?«
Ob sie ihn provozieren oder ihm auf den Zahn fühlen wollte, konnte er nicht sagen.
So oder so, er lächelte sie charmant an, auch wenn er spürte, dass es aufgrund seiner Unsicherheit ein wenig schief ausfiel. »Von dir verlassen zu werden hat die Schmerzschwelle erhöht, schätze
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