Leidenschaft der Nacht - 4
ich.«
»Es hat auch mir weh getan.«
»Ich weiß.« Er hatte sich denkbar schlecht verhalten, und sie beide bezahlten dafür.
Er wartete ihre Reaktion nicht ab, denn dies war nicht der geeignete Zeitpunkt, um seine Seele zu entblößen.
Zwei Schritte hinter ihm betrat Olivia den Salon, wo Haversham auf dem mit hellem Brokat bezogenen Kirschholzsofa saß. Der junge Mann stand auf, als er sie sah. Er war dünn und von jener Schlaksigkeit, wie sie einige jungen auszeichnete, bevor sie richtig ausgewachsen waren. »Mr. und Mrs. Gavin.«
Gott, klang das gut! Reign wollte ihn schon allein dafür mögen. »Mr. Haversham.«
»Verzeihen Sie den späten Besuch, zumal wir uns noch nicht offiziell vorgestellt wurden, aber ich dachte, dass meine Freundschaft zu James mir vielleicht eine gewisse Vertrautheit erlaubt.«
Hübsch formuliert und überdies mit einer glaubwürdigen Nervosität vorgetragen, die nicht eingeübt wirkte. Ein bisschen linkisch sah er sie beide an - vor allem Reign -, und in seinem Blick lag etwas, das an Ehrfurcht gemahnte.
»Natürlich«, versicherte Olivia ihm. »Bitte, setzen Sie sich! «
Havershams Manieren geboten ihm, erst Platz zu nehmen, nachdem sie sich auf einen der Sessel gesetzt hatte. Reign tat es ihnen gleich, konnte sich jedoch ein leichtes Stirnrunzeln nicht verkneifen, weil der junge immer wieder zu ihm schaute.
Er weiß Bescheid. Es war nur eine Vermutung, für die Reign indessen keine Bestätigung brauchte. Sein Instinkt schrie geradezu, dass Haversham sich der wahren Natur von Olivia und ihm sehr wohl bewusst war. Er wusste, dass sie beide Vampire waren.
Und dieser Umstand weckte mehr Ehrfurcht als Angst in ihm. Teufel noch mal, James hat es erzählt! Der kleine Tunichtgut hatte seine Tante verraten, um sich in einer Gruppe beliebt zu machen, die zweifellos glaubte, Unsterblichkeit wäre wie ein nie endender Schauerroman voller dunkler Seufzer und verbotener Gelüste.
Reign hoffte sehr, dass James’ Entführer ein Faible für Unzucht hatten.
»Können Sie uns etwas über James’ Verschwinden sagen?«, fragte Olivia, deren Blick zwischen Haversham und Reign hin und her wanderte. Begriff sie immer noch nicht, was ihr Neffe getan hatte? Sie konnte doch unmöglich glauben, dass Haversham alle Leute mit diesem staunenden Blick ansah!
»Nein, Madam.« Als er sich Olivia zuwandte, bemerkte Reign, dass die Augen des jungen sich kaum merklich weiteten. Wäre das hier auch nur ein bisschen amüsant gewesen, hätte Reign wohl gelacht. Aber Gott allein wusste, was James seinen Freunden über sie erzählt hatte. »Reggie erwähnte, dass Sie nach James suchen, deshalb habe ich eher gehofft, Sie könnten mir sagen, wo er sich aufhält.«
Ein Spion. Zu schade, dass Reign es nicht genießen konnte, recht zu haben. Er antwortete rasch, bevor Olivia zu viel sagte: »Leider konnten wir noch nichts in Erfahrung bringen.«
»Ach so«, murmelte der junge Mann sichtlich enttäuscht.
»Sagen Sie, Mr. Haversham«, begann Reign und lehnte sich in seinem Sessel zurück, »warum hat niemand von Ihnen die Behörden informiert, als Sie feststellten, dass James verschwunden war?«
Das schien auch Olivia zu interessieren, aber Haversham betrachtete beide mit Unschuldsmiene.
»Bevor Sie beide in Edinburgh eintrafen, dachte gar keiner von uns, dass James verschwunden ist. Wir glaubten, er wäre wieder nach London zurückgereist, weil ja auch sein ganzes Gepäck fort war.«
Aus dem Augenwinkel sah Reign, wie Olivia ihm einen fragenden Blick zuwarf. Sie war eine kluge Frau und wusste natürlich, dass niemand vor seiner Entführung packte. Folglich hatten die Entführer seine Sachen mitgenommen, damit es aussähe, als wäre James abgereist? Oder hatte James seine eigene Entführung inszeniert?
Nun, es konnte durchaus auch sein, dass Mr. Haversham ihnen Unsinn erzählte.
»Wie interessant!«, kommentierte Reign. »Da haben Sie aber eine üble Narbe auf der Stirn, Sir. Darf ich fragen, wie Sie sich diese zugezogen haben?« Er blickte kurz zu Olivia. Dem Blitzen in ihren Augen nach zu urteilen, dachte sie ebenfalls an den Wirt im »Wolf, Ram and Hart«, der erzählt hatte, dass der Bote eine Narbe auf der Stirn gehabt hätte. Natürlich konnte es Zufall sein, zumal Haversham zwar nervös war, aber nicht der Typ für eine kaltblütige Entführung zu sein schien.
Der junge Mann berührte seine Stirn und lächelte versonnen. »Ein Kricketball vor ein paar Jahren. Das Spiel gewannen wir
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