Leidenschaft der Wüste: Sie suchte seinen Schutz - und fand die Liebe (German Edition)
ihrem Zelt. Sie trug eine handgewebte Tasche über der Schulter. Langsam stieg sie die Stufen in die Grabkammer hinab, damit ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten, die nur von wenigen Fackeln erhellt wurde.
Die weichen Sohlen ihrer Schuhe machten kaum ein Geräusch auf der Treppe, die zu jener Kammer führte, in der die Männer am Tag gearbeitet hatten. Drinnen erschrak der Arbeiter, der ihr Kontaktmann war, zunächst, dann lächelte er.
»Ich warte oben auf dich«, flüsterte er und verschwand ebenso lautlos, wie Badra gekommen war.
Entsetzliche Schuldgefühle überkamen sie. Wer aus den Gräbern der verehrten Toten stahl, beraubte nicht nur sie, sondern ganz Ägypten. Ihr eigenes Erbe lagerte in diesen kunstvoll gemeißelten Felswänden.
Aber daran durfte sie nicht denken. Ihr Gewissen mochte sie für den Weg verurteilen, den sie gewählt hatte, aber Jasmines Wohlergehen stand an erster Stelle. Zweifel halfen ihrer Tochter nicht. Ebenso wenig nutzten ihr Badras Schuldgefühle, ganz gleich wie hartnäckig sie sich wieder und wieder regten.
Sie hatte eine Jambiya bei sich, einen kleinen gebogenen Dolch, den sie unter ihrem Kaftan an ihrem Schenkel festgebunden hatte. Es war Kenneths Dolch, mit dem er sich den Schnitt in der Hand beigebracht hatte, als sie seinen Heiratsantrag ablehnte. Sie hatte ihn behalten – das einzige Andenken an den Mann, den sie heimlich liebte und der sein Leben für sie gegeben hätte.
Nun hob sie ihren Kaftan hoch, holte das Messer hervor, kniete sich in den Sand und begann, zu graben.
Die Kiste mit dem Schmuck befand sich gewiss unter dem losen Schutthaufen, in den sie nachmittags beinahe eingesunken wäre. Ein bitteres Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie daran dachte, welche Ironie diese Szene barg. Sie benutzte Kenneths Dolch, um Kenneths Schatz zu finden und ihn zu stehlen.
Sobald sie mit dem Dolch die oberste festere Schicht Schutt gelockert hatte, griff sie die Erde mit beiden Händen und schleuderte sie beiseite. Auf diese Weise würde sie deutlich länger brauchen als mit einer richtigen Schaufel, aber sie traute sich nicht, Gerät nach unten mitzunehmen, da sie nicht riskieren durfte, dass jemand misstrauisch wurde.
Kaum fünf Minuten waren vergangen, da traf die Jambiya auf etwas Hohles: die verborgene Kammer. Badra schob die Erde beiseite und sah in die Tiefe hinab. Im schwachen Schein ihrer Lampe sah sie etwas blinken.
Gold!
Sie spürte, wie ihr vor Staunen alles Blut aus dem Gesicht wich, als sie in die verborgene Truhe blickte, deren Holzseiten längst verfallen waren. Der Inhalt hingegen war noch vollständig erhalten. Schmuck. Unzählige außergewöhnliche Stücke aus wertvollen Edelsteinen, Gold, Silber und Lapislazuli. Mit zitternder Hand griff sie nach unten und zog eine Kette mit einem Medaillon herauf: die andere Halskette von Prinzessin Meret. Dies war die Kette, die ihre Trägerin zur Sklaverei verdammte. Als handelte es sich um glühende Kohle, ließ sie das Schmuckstück in ihre Tasche fallen.
Die Nacht senkte sich über das Lager. Kenneth lag auf seinem schmalen Bett und zwang sich, Geduld zu haben. Es dauerte nicht lange, bis eine leise Stimme ihn rief, tief und dringlich.
»Sahib, Ihr müsst aufwachen!«
Kenneth kleidete sich eilig an und trat aus seinem Zelt. Es war der wachhabende Arbeiter, der sich mit seinem Gewehr in der Hand verneigte.
»Da ist jemand in der Grabkammer.«
Kenneth nickte und entließ den Mann. Sterne funkelten gleich abertausenden Diamanten am Nachthimmel, und der wächserne Mond tauchte den Sand in ein silbriges Licht.
Die Antworten lagen unten in dem Grab. Kenneth zündete eine Fackel an und stieg hinab.
In der Grabkammer herrschte eine unheimliche Stille. Schweiß lief über Badras Gesicht, und die Luft war vom Gestank des Fledermauskots erfüllt. Hier unter ihrer geliebten Wüste erwachte Badras Aberglaube. Sie machte ein Zeichen, das sie als Kind gelernt hatte, um den bösen Blick abzuwehren. Ihr war mulmig dabei, die gestohlene Halskette mit sich herumzutragen.
Ängstlich blickte sie sich an der verlassenen Ruhestätte des Pharaos um, dessen Grab von dem Moment an entworfen worden war, als er den Thron bestieg. Sie bekam Herzklopfen. Die alten Ägypter hatten ihr ganzes Leben damit verbracht, sich auf das Leben nach dem Tod vorzubereiten. Indem sie die Kunstgegenstände entwendete, die den Königen Reichtum über den Tod hinaus bescheren sollten, beraubte sie sie allem, was ihnen ein
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