Leidenschaft des Augenblicks
mehr so sicher.«
»Tatsächlich?« Hatch ließ sich eine Muschel schmecken. »Wie kommt es, daß du deine Meinung geändert hast?«
»Ich habe meine Meinung nicht geändert. Noch nicht, jedenfalls.« Sie hob ihr Kinn. »Aber ich habe beschlossen, die Angelegenheit noch einmal zu überdenken.«
»Wie wäre es, wenn du deine Zeit zu etwas Sinnvollerem verwenden würdest?«
»Was denn, zum Beispiel?« fragte sie.
»Zum Beispiel dazu, einen Termin für die Hochzeit festzusetzen.«
»Damit du ihn in deinen Terminkalender eintragen kannst?« konterte sie. »Damit du den großen Tag irgendwie zwischen deine wichtigen Geschäftstermine einschieben kannst? Bist du sicher, daß du tatsächlich Zeit für die Flitterwochen hast? Wir reden hier von zwei ganzen Wochen, Hatch. Das ist, glaube ich, die übliche Dauer. Kannst du dir tatsächlich so lange freinehmen?«
»Du würdest nicht glauben, wieviel sich von einem Hotelzimmer aus organisieren läßt, wenn man nur das richtige Equipment mitbringt«, sagte er ernst. »Heutzutage machen es Fax und Modem und Laptop-Computer möglich, daß man sein Büro nahezu überall aufschlagen kann.«
»Es wird keine Heirat geben.« Das Messer, mit dem Jessie hübsche kleine Muster auf das Tischtuch gezeichnet hatte, rutschte ihr plötzlich aus der Hand und fiel zu Boden. Glücklicherweise landete es ohne größeren Lärm auf dem Teppich. Als sie aufsah und Hatchs Blick begegnete, glaubte sie darin kühle, amüsierte Befriedigung zu lesen.
»Das ist überhaupt nicht komisch«, murmelte sie.
»Ich weiß.«
Die Wut stieg in ihr auf. »Ich wette, du findest das verdammt komisch.«
»Aber nein. Wie könnte ich, wo ich doch keinerlei Sinn für Humor besitze?« fragte er und klang ungeheuer logisch. »Vergiß das Messer, Jessie. Der Ober wird dir ein anderes bringen. Beantworte mir lieber eine Frage.«
»Die wäre?«
»Glaubst du immer noch, daß ich nicht in der Lage bin, dir ein aufmerksamer Ehemann zu sein?«
»Nach diesem Kommentar eben - mit Fax und Modem in den Flitterwochen? Was soll ich denn sonst denken?«
»Ich gebe dir mein großes Ehrenwort, daß sie uns nicht weiter stören werden«, sagte er ernst. »Ich arbeite ausgesprochen effizient, wenn es darauf ankommt.«
Jessie starrte ihn an. Er zog sie auf. Natürlich zog er sie auf. Sie war sich fast sicher, daß er sich über sie lustig machte. Und prompt war sie darauf reingefallen. Entspannung war notwendig, sonst würde sie noch mehr Besteckteile auf den Boden befördern.
»Na los, Jessie. Bitte sei ehrlich. Du mußt doch zugeben, daß ich deinem Vater längst nicht so ähnlich bin, wie du anfänglich geglaubt hast, oder?«
»Okay, ich geb's ja zu. Du bist ein völlig anderer Typ, obwohl du genauso arbeitssüchtig bist wie er. Ein echter Workaholic. Aber mein Vater hätte mir nie geholfen herauszufinden, was mit Susan Attwood passiert ist.« Und er hätte sich einen Dreck darum geschert, ob Elizabeth furchtbar enttäuscht wäre, weil er sie nicht zu dem Schulwettbewerb begleiten konnte. Und ihm wäre auch schnurzegal, aus welchen Gründen ich dich heirate, fügte sie stumm hinzu. Nicht daß ich vorhätte, dich zu heiraten, korrigierte sie sich sofort.
»Also bin ich doch gar kein so furchtbar schlechter Kerl? Ich glaube, wir machen allmählich Fortschritte.«
»Mag schon sein. Aber ich muß dir etwas sagen: Ich weiß nicht, ob es richtig von dir ist, mich davon abzuhalten, weiterhin für die anderen die Vermittlerrolle zu übernehmen - oder mich ausnützen zu lassen, wie du es nennst. Aber ich möchte dir sagen, daß noch nie irgend jemand versucht hat, mich vor irgend etwas zu beschützen. Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich.«
Hatch lächelte, doch bevor er etwas darauf sagen konnte, blieb eine kleine Frau mit vogelähnlichem Gesicht, krausem grauen Haar und einer Halbbrille auf der Hakennase neben ihrem Tisch stehen.
»Jessie. Jessie Benedict, sind Sie es doch! Ich habe es mir vorhin schon gedacht, als ich Sie von dort drüben aus entdeckte.« Sie deutete mit dem Kopf auf die andere Seite des vollbesetzten Restaurants. »Wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Wie geht es Ihnen? Haben Sie inzwischen einen neuen Job gefunden?«
Jessie blickte auf und erkannte die Frau sofort. Jemanden, der einen gefeuert hatte, vergißt man nicht so leicht. »Hallo, Mavis. Schön, Sie wiederzusehen. Mavis, das ist Sam Hatchard. Sie können ihn Hatch nennen. Hatch, darf ich dir Mavis Vairley vorstellen? Ihr beide habt viele
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