Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
Lethaby - aus Livingston in Maine.« Sie reichte Dorrie förmlich die Hand.
Shay hätte beinahe gelacht, denn die Situation war absurd. Er wusste jedoch, daß Aislinn sich verzweifelt in diese höfliche Förmlichkeit flüchtete, um den letzten Rest ihrer Würde aufrechtzuerhalten. »Komm morgen früh in mein Büro, Aislinn«, sagte er, »dann überlegen wir, was wir tun können. Vielleicht sollte ich mit Eugenie reden und...«
Aislinn wirbelte zu ihm herum, und ihre Augen blitzten. »Wage es nicht, dich in meine Angelegenheiten einzumischen, Shay McQuillan. Nach allem, was heute nacht passiert ist, habe ich nicht das Recht, von Eugenie noch einen Gefallen zu erbitten. Ich muss von jetzt an meinen Weg allein gehen.«
»Und wie willst du das anstellen, wenn du keine Arbeitsstelle mehr hast?« fragte er erregt.
Dorrie trat zwischen die beiden. »Ganz ruhig, ihr zwei«, flötete sie. »Es ist schon spät, und wir sind alle ein bisschen nervös.« Freundlich lächelnd, aber bestimmt schob sie Shay zur Tür. »Gute Nacht, Shamus.«
Bevor er wusste , wie ihm geschah, fand er sich auch schon draußen auf der Veranda wieder. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss , der Riegel wurde vorgeschoben. Er stand einen Moment regungslos da und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Dann drehte er sich um und ging langsam durch die Nacht davon.
6
Dorrie führte Aislinn in ein Zimmer unter dem Dach. Es hatte schräge Wände und war nur spärlich möbliert. An der einen Seite stand ein Bett, über das eine ausgeblichene Decke gebreitet war. Vor dem Bett lag ein abgetretener Teppich. An der Wand gegenüber stand eine Kommode, über der ein Spiegel hing. Es gab eine Waschschüssel aus weißem Messing mit einem roten Rand und einen dazu passenden Wasserkrug. Auf der Kommode stand eine Lampe, die Dorrie inzwischen angezündet hatte.
»Um Co rn ie dürfen Sie sich gar nicht kümmern, mein Kind«, plapperte Dorrie drauflos, während sie die einzelnen Schubladen aufzog und ein blaues Männerhemd herauszog. »Das können Sie als Nachthemd tragen.«
Aislinn nahm das Hemd, das, obwohl es sicher schon lange in der Schublade lag, immer noch nach Shay roch, und blickte sich noch einmal im Raum um, wobei ihr Herz etwas schneller zu schlagen begann. Dies war einmal Shays Zimmer gewesen! Sie versuchte, sich vorzustellen, wie er wohl als Junge gewesen sein mochte, aber es gelang ihr nicht - ihre Gedanken waren zu sehr von dem Mann eingenommen, zu dem er sich entwickelt hatte.
Dorrie nahm ihre eigene Lampe, die sie auf der Kommode abgestellt hatte, und schaute Aislinn warmherzig an. »Schlafen Sie gut, Kindchen«, meinte sie. »Morgen früh sieht alles ganz anders aus. Das hat meine Mutter schon immer gesagt, und sie hat damit recht gehabt.«
Aislinn nickte nur und schloss die Tür hinter Dorrie. Sie verriegelte sie sicherheitshalber, um vor einem ungebetenen nächtlichen Besuch von Cornelia geschützt zu sein. Leider war kein Wasser in der Karaffe, so daß sie sich nicht waschen konnte, obwohl sie das dringende Bedürfnis danach hatte. Schnell zog sie Liza Sues Kleid aus und streifte Shays Hemd über, wobei sie seinen Duft noch deutlicher roch. Das Bettzeug war etwas klamm, weil lange niemand mehr darin geschlafen hatte, aber die Wäsche war sauber und nicht mit der Decke auf der Gefängnispritsche zu vergleichen.
Sie blies die Lampe aus und schlug das Bettzeug zurück. Die Matratze war fest, aber ausgesprochen bequem, die Laken waren kühl und fühlten sich gut an, als sie sich in die Kissen k u sch elte. Sie hatte gedacht, daß sie sofort einschlafen würde, aber kaum lag sie im Bett, da kreisten ihre Gedanken nur noch um Shay. Sie dachte daran, wie er sie auf der Hotelveranda geküsst hatte, und drehte sich auf die Seite. Das nützte jedoch nicht viel, denn nun fragte sie sich, was vorgefallen sein mochte, daß er so ein gespanntes Verhältnis zu seiner ältesten Schwester hatte, und was er wohl damit gemeint hatte, als er das Testament ihres Vaters erwähnt hatte. Aislinn drehte sich auf die andere Seite, nur um erneut an die süßen Küsse zu denken. Sie sehnte sich danach, wieder seine Lippen auf ihrem Mund zu fühlen, und gleichzeitig machte es ihr angst, daß sie dieses Verlangen verspürte. Schließlich fiel sie dann doch in einen tiefen Schlaf.
Sie wachte auf, als die Sonne durch das Fenster schien. Unten im Haus hörte sie die Stimmen zweier Frauen, die miteinander stritten. Aislinn konnte zwar die Worte nicht verstehen, aber sie
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