Leidenschaft in den Highlands
machte ihm der Vorfall im Stall noch immer zu schaffen. Was wäre geschehen, wenn er nicht rechtzeitig dazwischengegangen wäre? Er wollte gar nicht daran denken, aber es ließ ihn nicht los.
Die Situation erinnerte ihn an den schrecklichen Tag, an dem Elisabeth ermordet worden war. Er hatte zusehen müssen, wie dieser Bastard ihr den Dolch in die Kehle gestoßen hatte. Und er hatte ihr nicht helfen können. So etwas Schreckliches durfte nicht noch einmal geschehen. Er würde sich nie verzeihen, wenn noch eine Frau wegen ihm verletzt oder getötet wurde.
Zugegeben, Avery war stärker als Elisabeth. Bis zu einem gewissen Grad konnte sie sich selbst schützen. Aber das machte die Sache nicht besser.
Elizabeth und Avery, die beiden Frauen waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Seine Frau war eine zarte, von innen heraus strahlende Person gewesen, zwar von stattlicher Größe, aber doch zerbrechlich. Sie war gütig gewesen und stolz, elegant und stets offenherzig. Avery hingegen wirkte wie ein Knabe. Manchmal noch etwas unsicher, meistens jedoch ungestüm und voller Tatendrang. So wie sie war auch er früher gewesen.
Ein Heißsporn, der kein Wagnis scheute, der keinem Risiko aus dem Weg ging, völlig gleich, ob ihn das in Schwierigkeiten brachte.
Sein Draufgängertum hätte ihn oft beinahe mehrgekostet als nur einen gebrochenen Arm. Einst hätte er fast sein Auge verloren. Er hatte sich für unbesiegbar gehalten, und deswegen hatte er nicht aufgepasst, als er eigentlich Wache am Lagerfeuer hatte halten sollen. Er war kurz eingenickt, und als er erwachte, stand eine dunkle Gestalt direkt vor ihm, und etwas blitzte vor seinem Gesicht auf. Ohne nachzudenken, hatte er sofort das Schwert an seiner Seite gegriffen und seinen Gegner zurückgestoßen. Hätte er auch nur eine Sekunde gezögert, wäre es vielleicht zu spät gewesen.
Das Erlebnis hatte ihn zur Besinnung gebracht, ihn angespornt, besonnener zu handeln und wachsamer zu sein, jederzeit mit einem Angriff zu rechnen.
Avery war genau so, wie er als Jüngling gewesen war. Und sie hatte ihre Lektion noch nicht gelernt. Er wusste nur zu gut, wie vieler schmerzhafter Erlebnisse es bedurfte, um aus einem Heißsporn einen besonnenen Kämpfer zu machen.
Mit dem Unterschied, dass sie kein Jüngling war. Obwohl er so etwas wie Brüderlichkeit für sie empfand. Dass unter ihrem Plaid zwei zarte Brüste schlummerten, machte die Sache allerdings kompliziert. Sie sprach eine dunkle, tief verborgene Region in seinem Inneren an. War es Neugierde? Faszination? Aye. Aber da war noch etwas anderes. Was immer es war, er hatte es noch nie empfunden.
Ewan schüttelte sein schweres Haupt, so dass sein nasses Haar durch die Luft flog und eine Spur aus Wasserperlen nach sich zog, während er in den Hof von Stonewall Castle gelangte. Er stieg vom Pferd und führtees zum Stall, wo er auf Avery zu treffen hoffte. Aye, er hoffte , sie zu sehen. Seit er losgeritten war, hatte er nur auf diesen Moment gewartet.
Natürlich war er auch gespannt darauf, wie weit sie mit ihrer Aufgabe gekommen war. Er wusste nur zu gut, wie viel Kraft das Ausmisten eines Stalles erforderte. Sein Vater hatte ihn und Rory ebenfalls mit dieser Aufgabe betraut, als sie noch Jungen gewesen waren. Von Anfang an hatte er darauf geachtet, dass seine Söhne ihre Muskeln stählten. Und dafür war ihm fast jedes Mittel recht gewesen.
Die Methoden seines Vaters hatten seinen Ehrgeiz geschult. Und auch Avery war ehrgeizig. Wenn er sie richtig einschätzte, hatte sie mehr als die Hälfte der Boxen geschafft.
Der Regen hatte im Hof der Burg kleine Seen gebildet. Ewan führte sein Pferd um sie herum und brachte es zum Stall. Dort angekommen, stutzte er, weil Aidan nicht vor der Tür stand und Wache hielt, wie er es ihm aufgetragen hatte.
Etwas drückte schwer auf seinen Magen. Der Schmerz wurde schnell so groß, dass er seine Schritte verlangsamte.
Wo war Aidan? Es sah ihm nicht ähnlich, seinen Posten zu verlassen. Ewan brachte das Pferd in seine Box und blickte sich im Stall um.
Wie er befürchtet hatte, war auch Avery nirgends zu sehen. Sein Herz trommelte gegen seine Brust. War sie fort? Geflohen?
In seiner Fantasie malte er sich aus, wie Avery einenWeg gefunden hatte, Aidan auszutricksen oder gar niederzustrecken. War sie am Ende längst auf dem Weg zu ihrem Clan? War es ihr etwa gelungen, sich auch an seinen Torwächtern vorbeizuschleichen?
Ewan wusste, dass es irrational war, sich von einer Gefangenen
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