Leidenschaft in den Highlands
Kampf ließ ihre Lebensgeister zurückkehren.
Ewan hatte sicherlich einen ebenso anstrengenden Tag hinter sich. Dadurch wäre der Kampf ausgeglichen.
»Aidan, bring uns die Übungsschwerter!«
Aidan kämpfte mit seiner tropfenden Nase und dem Kätzchen, das alles Mögliche wollte, nur nicht auf seinem Arm bleiben. »Aye, Chief!«
Ewan musste wohl ihren lustlosen Gesichtsausdruck bei der Erwähnung der Übungsschwerter bemerkt haben. Jedenfalls änderte er seine Meinung.
»Ich habe eine bessere Idee. Kümmere dich nur umdie Katze, und sorge dafür, dass die Pferde in den Stall zurückgehen.«
Aidan nickte.
»Komm mit«, sagte Ewan, nahm eine Fackel aus ihrer Halterung und führte Avery durch eine seitliche Tür die Treppe hinunter. Sie kamen in eine finstere Kammer, in der Fackeln verteilt waren, die er sogleich anzündete. Ihr flackerndes Licht gab den Blick frei auf die Schwerter, die in verschiedensten Größen an den Wänden hingen.
»Was ist das für ein Raum?« Der Anblick der blitzenden Klingen versetzte sie in helle Aufregung. Ganz besonders das Claymore hatte es ihr angetan. Sie erinnerte sich daran, dass er es damals am See völlig mühelos geführt hatte.
»Das ist meine Trainingshalle.«
Er besaß eine eigene Trainingshalle? Aye, sie war beeindruckt. Auf Green Castle gab es nichts Vergleichbares. Es musste ungemein praktisch sein, sich jederzeit hierher zurückziehen und trainieren zu können.
»Früher trainierte ich oft allein hier unten.«
»Warum habt Ihr keinen Eurer Männer gefragt? Ich dachte, Ihr würdet jede ihrer Kampftechniken kennen?«
»Aye, das tue ich. Doch jeder von ihnen wollte nur ein Mal gegen mich kämpfen. Sie merkten schnell, dass sie gegen mich keine Chance hatten.« Er grinste.
Ob er das ernst meinte? Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte sie einen Trainingspfosten, den einige tiefe Kerben zierten. Dies musste wohl sein Partnerersatz sein.
»Eine Zeitlang habe ich jeden Tag hier verbracht. Ich vergaß über meinem Training zu essen, zu trinken und …«
»… Eure Tochter.«
Ewan schüttelte den Kopf. »Vicky war immer das Wichtigste in meinem Leben. Ich wollte auf die weibliche Gesellschaft anspielen. Und damit meine ich eine wirkliche Gesellschaft, keine Hure, die abends in mein Bett steigt und morgens wieder geht.«
Er warf ihr einen eigenartigen Blick zu, unter dem sich ihre Nackenhärchen kräuselten. Eine seltsame Mischung aus Wildheit und einer Spur Sehnsucht. Doch er sagte nichts Weiteres, sondern ging zu einem kleinen Schrank, der hinter der Tür stand, und holte etwas heraus.
»Was ist das?«
Er reichte ihr einen wattierten Rock. »Zieh das über.«
Schutzkleidung. Sie begriff, worauf das alles hinauslief. Dieses Mal würden sie keine Holzschwerter kreuzen.
»Für den Fall der Fälle«, fügte er hinzu.
»Und Ihr, tragt Ihr keinen Schutz?«
»Sehe ich aus, als ob ich Verwundungen fürchte? Meine Narben sprechen da wohl eine andere Sprache.«
»Wie Ihr meint.« Ganz wohl fühlte sie sich nicht in ihrer Haut. Er gewährte ihr einen unschätzbaren Vorteil. Hielt er sich für unbezwingbar? Oder war sie in seinen Augen eine derart schlechte Kämpferin, dass er keine Schutzkleidung brauchte?
Ewan zog ein Schwert von der Wand, gab es ihr und schnappte sich ebenfalls eines. Dann ging er in Kampfstellung. Avery tat es ihm gleich.
Beim Anblick seiner ungeschützten Arme und Beine ließ sie das Schwert wieder sinken. Sie konnte ihn nicht angreifen. Nicht so. »Ich bitte Euch, tragt mir zuliebe auch einen Schutz. Wozu ein Risiko eingehen? Es ist doch nur ein Training.«
Ewan hob erstaunt eine Augenbraue. »Das klingt, als würdest du dich um meine Gesundheit sorgen.« Weil er gerade im Licht einer Fackel stand, sah sie sehr deutlich das Lächeln, das sich auf seinen Lippen bildete, und die kleinen Lachfalten rings um seine Augen.
»Aye. Ich mache mir Sorgen um Eure Sicherheit. Wenn ich Euch verwunde, was, denkt Ihr, werden Eure Männer dann mit mir tun? Sie werden glauben, ich hätte Euch ermorden wollen, und mich dafür hängen.«
Ewan lachte. »Das wird gewiss nicht geschehen.«
»Ihr seid sehr von Euch überzeugt.«
Sie gab auf. Wenn er es partout nicht anders wollte, dann würde sie eben darauf achten, dass sie keinen zu festen Schlag ausführte, und sich darauf beschränken, lediglich seine Attacken zu parieren. Bester Kämpfer in den Highlands hin oder her.
Wie schon am Morgen überließ er ihr den Vortritt. Aber Avery weigerte sich, die
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