Leidenschaft in den Highlands
trat.
»Du bist noch hier«, sagte er erstaunt.
»Aye.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm fest in die Augen. »Das überrascht dich, nicht wahr? Aber es kommt noch besser. Hör mir zu.«
Sie blickte wieder aus dem Fenster.
»Sieh dir diese Männer an«, sagte sie und deutete in den Hof. »Sie wissen, dass sie keine Chance haben, doch sie sind bereit, für dich zu sterben. Wie fühlt sich das an? Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?«
Sie wandte den Kopf und sah ihm tief in die Augen.
Er erwiderte ihren Blick unverwandt. »Wenn es keine Männer gäbe, die bereit sind, ihr Leben einzusetzen für das, was sie für gerecht und richtig halten, würde sich die Welt nicht bewegen. Ich dachte immer, du würdest das verstehen.«
Avery hielt inne. Ewans Worte gingen ihr nah. Er hatte recht. Auch ihre Leute handelten nach dieser Maxime. Sie konnte Ewan verstehen. Aber warum gelang es ihm nicht, ihre Sicht der Dinge ebenso zu begreifen?
»Höre dir meinen Vorschlag an. Du wirst nichts verlieren, das verspreche ich dir.«
Er verschränkte lässig die Arme vor seiner muskulösen, nur mit dem Plaid bedeckten Brust und forderte sie mit einem Nicken auf fortzufahren.
»Die Gemüter sind erhitzt, die Leute kampfbereit. Sie wollen Blut sehen. Um eine Eskalation zu verhindern, gilt es, einen Verhandlungsspielraum zu schaffen. Das bedeutet, dass wir einen Friedensvertrag aufsetzen müssen. Ich schlage vor, dass du von deinen Forderungen zurücktrittst.«
»Du weißt, was ich von dieser Idee halte.«
»Aye, aber es sieht für deine Seite nicht gut aus. Du wirst große Verluste erleiden, am Ende vielleicht sogaralles verlieren. Und wofür? Für deinen Stolz? Wenn wir unsere Clans vereinen, wird niemand sein Gesicht …«
»Vereinen?«, schnitt er ihr das Wort ab. »Das wird ja immer schöner. Die MacBaines werden den Teufel tun, sich mir unterzuordnen. Und umgekehrt ist das ebenfalls völlig ausgeschlossen. So gern ich den Krieg auch vermeiden würde: So wird das ganz gewiss nicht funktionieren.«
Er schien noch immer nicht zu begreifen.
»Doch. Es kann und wird funktionieren. So hör mir doch erst einmal zu! Es gibt einen Weg, unsere Clans zu vereinen, ohne dass Menschen in einem sinnlosen Krieg sterben.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Aber wenn du einen Vorschlag hast, bitte, fahre fort. Doch wir haben nicht mehr viel Zeit.«
»Aye, ich weiß. Deswegen bitte ich um dein Gehör. Als ich noch jung war, gab es einen Streit zwischen den MacBaines und den MacAffys. Es war keine große Sache, doch Athair fürchtete, er könne eskalieren und das Verhältnis der Familien auf längere Sicht schädigen.«
»Was war geschehen? Ich habe noch nie von einer Fehde zwischen euren Clans gehört.«
»Dazu kam es auch nicht. Ein junger Bursche aus einem unserer Dörfer hatte ein Schaf der MacAffys gestohlen.«
»Ha, Viehdiebe. Ich hasse dieses Pack.«
Sie hob beschwichtigend eine Hand. »Er kam von einer langen Reise zurück und war sehr hungrig. Als er aneiner Weide vorbeiging und dort eine Herde grasen sah, glaubte er, es seien die Tiere unseres Clans. Kurzerhand hat er ein Lamm geschlachtet.«
»Das macht die Sache in meinen Augen nicht besser.«
»Athair glaubte, das bis dahin gute nachbarschaftliche Verhältnis nur dadurch aufrechterhalten zu können, dass er Ronald MacAffy, dem ältesten Sohn des Chiefs, meine Schwester Ann zur Frau versprach. Sie war damals selbst noch ein Kind. Aber dessen ungeachtet, wurde darüber verhandelt.«
»Aye, ein taktisch kluger Zug. Und wie man sieht, hat er sich ausgezahlt. Die MacAffys kämpfen heute an eurer Seite.«
Avery verschwieg, dass es später weitere Verhandlungen gegeben hatte, nach denen die Verlobung wieder gelöst worden war. Ann hatte sich in den Kopf gesetzt gehabt, sich selbst einen Mann zu suchen, und Vater hatte diesen Wunsch respektiert. Er wollte, dass seine Töchter glücklich wurden. Das Verhältnis zu den MacAffys hatte sich trotzdem nicht verschlechtert, was allein Vaters diplomatischem Geschick zu verdanken gewesen war.
Avery empfand Ewan gegenüber dieselbe starke Loyalität wie gegenüber ihrer Familie. Ein Umstand, der ihre Lage nur noch komplizierter und den Frieden unerlässlich machte. Wie sollte sie es ertragen, wenn sich die Männer beider Clans die Köpfe einschlugen?
»Warum erzählst du mir diese Geschichte, Avery?«
Sie straffte die Schultern und nahm all ihren Mutzusammen. »Weil dies auch unsere Lösung
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