Leidenschaft zum Dessert
hatte wie Tau über die Wüste.
„Ich denke, wir sollten beide schlafen gehen“, antwortete er leise. Er hielt vor dem Eingang, und zum ersten Mal, seit sie wieder in den Wagen gestiegen waren, drehte er sich zu ihr um und sah sie an. Sein abweisender Blick traf sie bis ins Innerste. Sie wollte ihn berühren, um die plötzliche Kälte zu verscheuchen. Aber die starre Haltung seiner Schultern und seine ausdruckslose Miene warnten sie davor, es zu tun. Ein Annäherungsversuch würde nicht freundlich aufgenommen werden, so viel war klar.
„Gute Nacht, Sara.“
„Gute Nacht, Kazim.“ Sie bückte sich verlegen, um ihre Aktentasche vom Boden zu nehmen.
Die große Limousine bewegte sich nicht von der Stelle, bis Sara im Haus war, aber diese Geste tröstete sie nicht. Dass er sie heute Nacht verließ, war für sie, als hätte sie etwas sehr Wichtiges verloren. Wenn sie sich vorher einsam gefühlt hatte, so war sie jetzt völlig trostlos und allein. Sie kam sich vor wie Eva, aus dem Paradies verbannt, weil sie der Versuchung nicht hatte widerstehen können.
Sara war wie betäubt, als sie am nächsten Morgen ihr Fahrrad abstellte und das Bürogebäude betrat. Sie wusste, dass Kazim noch nicht da sein würde, weil sie immer kam, bevor der Tag richtig hektisch wurde, um sich für ihren Job umzuziehen, und Kazim kam gewöhnlich erst gegen neun Uhr.
Je näher dieser Zeitpunkt rückte, desto weniger konnte sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Lieber Himmel, was sollten sie zueinander sagen? Hi, guten Morgen. Kann ich irgendetwas für Sie tun? Mich vielleicht nackt für Sie im Mondlicht auf eine Decke legen?
Sie stöhnte insgeheim auf. Sie war gerade dabei, einen komplizierten Bericht mit diversen Tabellen zu verfassen, und die Zahlen hüpften vor ihren Augen auf und ab wie die Hauptdarsteller in einem Flohzirkus. Jedes Mal, wenn sich die Türen zu den Aufzügen öffneten, kämpfte Sara gegen den Wunsch an, sich unter ihrem Schreibtisch zu verstecken. Aber es war nur die Post und dann die Sekretärin von der Finanzabteilung.
Gegen Mittag war sie verwirrt und aufgebracht. Kazim hatte ein wichtiges Treffen mit einem ihrer Lieferanten verpasst und sie nicht gebeten, ihn zu vertreten. Offenbar hatte er sich telefonisch bei den anderen Teilnehmern entschuldigt.
„Wann kommt Mr. Al Mansur?“, fragte ein Anrufer, und er blieb nicht der Einzige, der sich nach ihrem Boss erkundigte.
„Ich bin nicht sicher“, antwortete sie zuerst, aber bald sagte sie nur noch: „Ich weiß nicht.“ Und von Mal zu Mal wurde sie gereizter. Sie bereitete Kazims Zeitplan vor, traf all seine Verabredungen und kannte gewöhnlich seine Schritte besser als er selbst. Sie war kurz davor, bei ihm zu Hause anzurufen und zu sehen, ob es ihm gut ging, aber er hatte sich persönlich bei dem Lieferanten entschuldigt, also war er offensichtlich am Leben. Er hatte heute ganz einfach nur nicht ins Büro kommen wollen.
Er hatte sie nicht sehen wollen.
„Wann kommt Mr. Al Mansur aus der Türkei zurück?“
„Was?“ Sara sah erschrocken von ihrer Arbeit auf.
Die stellvertretende Leiterin der Produktionsabteilung stand vor ihrem Schreibtisch, einen Kugelschreiber an die sorgfältig geschminkten Lippen gepresst. „Ich brauche unbedingt seine Unterschrift für diese Papiere hier. Ich wusste nicht, dass er heute in die Türkei fliegen wollte.“
„Ich auch nicht.“ Verzweiflung schnürte Sara die Kehle zu. Er hatte das Land verlassen, ohne es ihr zu sagen?
„Geht es Ihnen gut?“, fragte ihre Kollegin besorgt.
„Ja, natürlich.“ Ihre Antwort kam etwas zu laut, weil Sara versuchte, ein Selbstvertrauen auszustrahlen, das sie nicht empfand. „Ich weiß nicht, wann er zurückkommen wird“, fuhr sie leiser fort. Sie wusste ja nicht einmal, welchen Flug er genommen hatte. Er musste sich sein Ticket selbst besorgt haben.
„Ist er dorthin geflogen, um sich das El-Barak-Ölfeld anzusehen?“
„Ich nehme an.“ Sara gab sich große Mühe, so ruhig wie immer zu klingen. „Ich lasse es Sie wissen, sobald ich von ihm höre.“
„Sie sehen nicht gut aus. Sind Sie sicher, dass alles okay ist?“
„Ja. Ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen. Ich nehme gleich eine Tablette.“
Als die Tür sich hinter ihrer Kollegin schloss, verbarg Sara den Kopf in den Händen. Sie bewunderte gerade diese Kollegin, sie war alles, was Sara eines Tages selbst zu werden hoffte – respektiert, beliebt und bewundert für ihren scharfen Verstand und ihren ausgeprägten
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