Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman
den Rücken runter.
Ich schluckte, schüttelte den Kopf.
Er ging an mir vorbei, steuerte auf den Schreibtisch zu und nahm sie in die Hand. Er warf mit ein paar Begriffen und Zahlen um sich, die ich mir nicht merkte, die wohl beschrieben, worum genau es sich handelte.
„Gehört meinem Vater. Ist ’n cooles Teil. Mal ausprobieren?“
Will er mich verarschen?
„Nein, danke, kein Bedarf.“
„Die ist echt.“
„Habe ich mir gedacht.“
Er fuchtelte mit der Waffe herum und richtete mehrmals – aus purer Absicht, davon ging ich aus – den Lauf in meine Richtung. Ich täuschte Desinteresse vor und wandte mich von ihm ab, um mich neben Leif zu setzen und ihm flüsternd von der Waffe zu berichten. Nicht, dass es nötig gewesen wäre, denn im selben Augenblick rief Ramon: „Hey Teichert! Fang!“
Dann lag sie in Leifs Händen.
Ich dachte nur, wie wahnsinnig der Kerl sein musste. Was, wenn sie losgegangen wäre? Sofern das möglich war, auch damit kannte ich mich nicht aus, aber der Gedanke machte mir Angst.
Leif zuckte unbeeindruckt mit den Schultern, stand auf und gab sie Ramon zurück. Mist, jetzt waren seine Fingerabdrücke darauf! Was, wenn Ramon damit etwas anstellte und hinterher Leif die Schuld zuschob?
Als Leif wieder neben mir saß, flüsterte ich ihm zu: „Lass uns bitte gehen.“
Er sah mich an. „Warum?“
„Er hat eine Waffe! Du hast schon genug Ärger. Nicht auch noch das!“
Leif zögerte. „Was soll denn schon passieren?“
„Das will ich gar nicht herausfinden. Ich traue ihm alles zu.“
In der Zwischenzeit hatte sich Ramon in seinen Schalensessel gefläzt, die Waffe in der einen Hand, eine Wodkaflasche in der anderen. Ich wollte nicht hinsehen. Ich zwang mich partout, mich auf die anderen zu konzentrieren, fing aber nur Fetzen ihrer Unterhaltung auf, nicht zuletzt, weil die Musik laut dröhnte. Immer wieder wanderte mein Blick zu Ramon und ich wusste nicht, ob es Zufall war oder ob er mich die ganze Zeit seinerseits beobachtete, ständig begegnete ich seinem Blick. Ich empfand es als Drohung, als er den Lauf auf mich richtete und so tat, als würde er mich erschießen. Es war kein Geheimnis, dass er mich nicht leiden konnte, und an jenem Tag wollte er mich bestimmt gar nicht um sich haben. Ich gehörte zu derselben Gattung wie die Ratte, die ihm das Herz gebrochen hatte.
Ich fühlte mich von Minute zu Minute unwohler. Angesichts der Tatsache, dass die Jungs alles machten, außer Ramon aufzumuntern, fragte ich mich immer häufiger, warum wir nicht einfach gingen. Dann fing Ramon an, die Waffe auf sich selbst zu richten. Auf die Brust, auf den Kopf, in den Mund. Ich stupste Leif an, der stupste Marek an und wie beim Domino ging das Stupsen weiter, bis alle in Ramons Richtung blickten. Die Gespräche verstummten, nur die Musik war unverändert laut. Trotzdem merkte Ramon, etwas war anders. Als er sah, wie alle ihn beobachteten, fing er an zu lachen und schoss auf die Stereoanlage. Wir erschraken, aber ich ließ darüber einen Schrei los, der mit dem Ende der Musik das einzige Geräusch im Raum war. Die Anlage war sofort aus, hinüber, kaputt. Er hatte gut getroffen.
Ich schlug die Hand vor den Mund.
Ramon stöhnte. „Warum hast du das hysterische Weib mitgebracht, Teichert?“
„Jetzt mach mal halblang, Ramon!“, sagte Leif ganz ruhig.
Ramon stand auf und ich rechnete mit allem. Auch damit, dass er Amok laufen und uns alle erschießen würde. Er fuchtelte mit der Waffe herum und Leif, der merkte, wie mein Körper zitterte, legte mir zur Beruhigung eine Hand auf den Oberschenkel.
„Hey, was haltet ihr davon, wenn wir … Pizza essen gehen? Ich habe echt Hunger“, meldete sich Marek zu Wort und stand auf.
Die Idee war nicht schlecht, nur nicht zu Ende durchdacht.
„Pizza?“, wiederholte Ramon. „Ich will keine blöde Pizza essen. Vielleicht sollen wir auch noch zu Domenico ’ s gehen, damit wir auch ja Cinzia über den Weg laufen.“
Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, feuerte er einen weiteren Schuss ab. In die Zimmerdecke.
„Hey, Mann, lass’ den Scheiß!“, rief Jürgen.
„Versuch’ doch, mich davon abzuhalten!“, war Ramons Antwort.
„Okay.“ Leif stand nickend auf.
Mein Herz rutschte in die Hose. Ich war versucht, ihn festzuhalten, ihn anzuschreien, es nicht zu tun. Warum musste ausgerechnet Leif jetzt den Helden spielen? Und warum waren die anderen alle zu schissig, etwas zu unternehmen?
Doch ich hatte sie falsch eingeschätzt. Marek,
Weitere Kostenlose Bücher