Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman
Klassenraum. Die letzten zwei Stunden brachte ich mehr schlecht als recht hinter mich. Zuhause setzte ich mich sofort an den Schreibtisch und zwang mich, bis zum Abendessen zu lernen. Ich paukte französische Vokabeln, las mir meine Notizen zur Lektüre in Deutsch durch und bereitete mich auf noch anstehende Klausuren vor. Um sechs schmierte ich mir ein paar kleine Scheiben Vollkornbrot und setzte mich vor den Fernseher. Lustlos zappte ich durchs Programm und ging schnell zu meiner derzeitigen Lieblingsbeschäftigung über: Ich weinte.
Das Telefon klingelte. Ich raffte mich auf, nahm den Hörer ab und meldete mich.
„Hi Kleine, ich bin’s“, hörte ich Tatjana sagen. „Tut mir leid, dass ich vorhin so sauer war. Hast du dir überlegt, ob du heute Abend rausgehst? Wir müssen ja nicht zu Anna.“
„Nein.“
„Nein, du hast nicht überlegt oder nein, du kommst nicht mit? Was hältst du vom Simrock’s ?“
„Ich komme nicht mit.“
„Gib‘ dir einen Ruck, Nina, du musst auf andere Gedanken kommen.“
„Und das mache ich am besten, indem ich in die Kneipe gehe, die mich am meisten an Leif erinnert.“
Schweigen.
„Tati, bist du noch da?“, fragte ich erschrocken.
Vielleicht hatte ich sie schon wieder vergrault.
„Ja. Du hast Recht, aber die Schule erinnert dich ja auch an ihn und dorthin gehst du noch, oder?“
„Toller Vergleich … Okay, gut, ich komme mit, aber nur, damit du aufhörst, mich zu nerven.“
Ich legte auf und ging ins Bad, sprang unter die Dusche, zog mich um und war ausgehfertig, als Tatjana klingelte, um mich abzuholen. Wir fuhren mit den Rädern zu unserer Stammkneipe und setzten uns an unseren Stammtisch. Ein Kellner nahm unsere Bestellung auf und brachte unsere Getränke scheinbar im selben Atemzug. Es war nicht viel los, was daran liegen konnte, dass der Abend noch jung war oder sich alle Leute auf Annas Geburtstag tummelten.
Wir beobachteten zwei Billardspieler, die wir nicht kannten, die aber ebenfalls ständig zu uns herüberblickten. Irgendwann kam der blonde Junge zu uns und lud uns auf eine Partie ein. Tatjana war ohne zu zögern dabei. Ich ging zwangsweise mit. Tatjana verstand sich auf Anhieb mit dem Blonden, der Martin hieß, und ich unterhielt mich mit Niklas. Eigentlich interessierte ich mich nicht für ihn. Er war zwar sehr nett und süß und unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht in ihn verlieben können, aber da es Leif gab, war das ausgeschlossen.
Unter anderen Umständen hätte ich mich andererseits trotzdem nicht auf ihn konzentrieren können: Ich war fassungslos und schockiert über Tatjana. Während ihr langweiliger Freund zuhause saß, flirtete sie, was das Zeug hielt, mit einem Anderen! Mal davon abgesehen, wie unfair ich es fand und wie allein der Gedanke schmerzte, dass sie etwas Ähnliches machte, wie Leif es mir angetan hatte, fragte ich mich, ob sie gerade merkte, wie aufregend andere Jungs sein konnten. Nicht, dass Martin ein Weiberheld gewesen wäre, aber um einiges hübscher und interessanter als Lars. Fand sie wohl auch, denn sie hatte nicht nur mich, sondern auch ihren Freund vergessen.
„Zwischen den beiden scheint’s ja mächtig gefunkt zu haben“, stellte Niklas irgendwann fest.
Ich nickte mit einem erzwungenen Lächeln. „Mhm.“
Er lächelte mich an und ich verkniff mir die Frage, wen er meinte. Ohne eingebildet zu klingen – ich merkte, ich gefiel ihm. Im selben Moment sah ich die Tür aufgehen und Leif die Kneipe mit ein paar Freunden betreten.
Hm, Annas Party ist wohl nicht der Renner , dachte ich, und dann reifte in mir ein Plan. Ich wusste nicht, ob er funktionieren würde, aber ich wollte unbedingt herausfinden, ob ich Leif wirklich so gleichgültig war. Ich verkniff mir die Frage nicht mehr. Ich schenkte Niklas ein Lächeln. „Wen genau meinst du?“
Die nächste Stunde flirtete ich heftig mit ihm und benutzte ihn, um Leif eifersüchtig zu machen. Aus dem Augenwinkel schielte ich mehrmals zu Leif und begegnete seinem Blick, mit dem er uns unentwegt beobachtete. Ich hatte ihn neugierig gemacht!
Im Laufe des Abends wurde es im Simrock’s wie üblich voller, je später es wurde. So voll, dass kaum noch jemand hereinkam und die meisten Leute kehrtmachten, wenn sie einen kurzen Blick durchs Fenster geworfen hatten. Die Stimmung war großartig und mittlerweile hatte ich ehrlich gute Laune, was nicht zuletzt an meinem steigenden Alkoholpegel lag. Ich hatte die Übersicht verloren, aber ich hatte schon einige
Weitere Kostenlose Bücher