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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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der Art, wie er sie sagte, ließ sie zusammenzucken. Sie stand auf und wickelte ihren nackten Körper in eine Chenilledecke, die sie vom Sofa genommen hatte.
    »Nein«, sagte sie schwach, »so ist es nicht, und das weißt du.«
    »Ich vermute es«, meinte er. Aber er wirkte verletzt.
    »Na los jetzt, ich muss wirklich weiter.«
    »Also kann ich nicht hierbleiben und mir das Album fertig anhören? Es rockt einfach perfekt.« Er warf ihr ein strahlendes Lächeln zu, das ihr eine Vorstellung davon vermittelte, wie er als Fünfjähriger ausgesehen haben mochte.
    »Nein. Ich muss die Tür abschließen, und es ist keine gute Idee, wenn du hierbleibst.«
    »Keine gute Idee? Wir begehen doch kein Verbrechen.«
    »Ich weiß, aber... ich könnte Schwierigkeiten bekommen.«
    »Nur wenn es jemand herausfindet.« Er zog die Augenbrauen hoch, und mit einem Mal bekam sie Angst. Dieser Gesichtsausdruck war ihr neu. Sie konnte nicht einschätzen, ob er in sie verliebt war. Wohl eher nicht. Im Bett wirkte er viel zu souverän, aber andererseits war er doch emotional in die Sache verstrickt. Er schien aus ihrer Beziehung einen Nutzen zu ziehen, auf den er unter keinen Umständen verzichten wollte. Plötzlich fühlte sie ein unbehagliches Rumoren in der Magengegend.
    »Okay«, lenkte sie ein, um für eine Weile ihre Bedenken zur Seite zu schieben und sich keine Sorgen über seine Absichten machen zu müssen.
    Ihre Mutter hatte Jeanne stets vorgehalten, dass sie undiszipliniert sei; sie würde es niemals zu etwas bringen, da sie sich nicht dazu überwinden könne, unangenehme Dinge zu
tun, und gleichzeitig andere Dinge nicht sein lassen könne. Sie selbst war immer der Überzeugung gewesen, die Meinung ihrer Mutter widerlegt zu haben. Sie hatte sehr wohl etwas erreicht und Erfolgsmomente im Leben gehabt. Und sie hatte es geschafft, »den Teufel in ihr«, wie ihre Mutter es nannte, zu bezwingen. Aber während sie Trevor dabei beobachtete, wie er den Joint baute und anzündete, kam ihr der Gedanke, dass ihre Mutter vielleicht doch Recht gehabt hatte.

9
    Sweeney wachte mitten in der Nacht auf. Mit einem Mal hellwach, lauschte sie aufmerksam den Geräuschen im Schlafzimmer, dem leisen an- und abschwellenden Rauschen des Verkehrs, den unaufhörlichen Klängen der Stadt. Im Licht des beinahe vollen Mondes und der Straßenlaternen nahm sie fast alle Details des Raumes wahr. Die farblosen Grautöne ließen die Silhouetten der Möbel gleichzeitig vertraut und fremd wirken. Sie setzte sich auf, und der General, der neben ihrem Kopf eingerollt geschlafen hatte, erhob sich ebenfalls, blinzelte zweimal und rieb sein Köpfchen an ihr, damit sie ihm die Ohren kraulte.
    Sie hatte schlecht geträumt und war dann unvermittelt aufgeschreckt. Jetzt kramte sie in ihrer Erinnerung nach dem Erlebnis, aber es wollte ihr nicht mehr einfallen. Also schwang sie ihre Beine zur Seite, blieb für einen Moment auf der Bettkante sitzen und stand schließlich auf. Sie tappte in die Küche, der General folgte ihr. Der Kater sprang auf die Arbeitsplatte, rieb sich an der halbleeren Rotweinflasche, die neben der Spüle stand, und blickte erwartungsvoll auf die Tüte mit Katzenfutter an der Wand.
    »Es ist mitten in der Nacht«, flüsterte Sweeney ihm zu, »noch keine Frühstückszeit.« Sie setzte sich an den Küchentisch und fühlte die frische Brise auf ihrer Haut, die durch das offene Fenster hereinwehte. Es war drei Uhr morgens und vermutlich
die einzige Tages- beziehungsweise Nachtzeit, zu der man einen kühlen Luftzug genießen konnte, angesichts der momentanen Hitzewelle.
    Sie stand auf und griff nach der angebrochenen Weinflasche, schenkte sich ein halbes Glas ein und lauschte, ob Ian noch schlief. Während sie den Wein in kleinen Schlucken trank, wanderte sie im Apartment auf und ab. Letzten Endes kletterte sie aus dem Küchenfenster und setzte sich auf die Feuertreppe.
    Als sie die Stufen betrachtete, erinnerte sie sich plötzlich wieder an ihren Traum. Sie hatte am oberen Absatz eines langen Treppenhauses mit steinernen Stufen gestanden, die am unteren Ende im Boden verschwanden. Die Treppe hatte ihr Angst gemacht, trotzdem war sie entschlossen gewesen hinunterzusteigen, um herauszufinden, was sie dort erwarten würde. Sie erinnerte sich an das lockere Erdreich unter ihren Füßen und daran, wie sie kleine Steinchen losgetreten hatte, die mit klackenden Geräuschen in der Tiefe verschwunden waren. Was war am unteren Treppenabsatz gewesen? Sie musste aufgewacht

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