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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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um sich schnell dem Zugriff des Tieres zu entziehen. Dann trat sie einen Schritt heraus.
    Das Riesentier beachtete sie nicht, es fraß weiter die Bohnen, und Gemma beobachtete es dabei. Bemerkenswert: Das Tier rupfte nicht etwa die ganzen Pflanzen aus, sondern löste vorsichtig und sorgfältig mit einer relativ kleinen, schmalen Zunge die Früchte vom Halm, also die Schoten mit den Bohnen darin. Das überraschte Gemma. Ein so großes plumpes Tier - da hätte sie ein so differenziertes Vorgehen nicht erwartet. Offenbar war das doch so eine Art Reptil, wenn man irdische Maßstäbe anlegte. Ob es auch Eier legte? Das war jetzt unwichtig. Wichtig aber war: Das differenzierte Verhalten beim Fressen setzte die Fähigkeit voraus, Sinneseindrücke differenziert zu werten. Wie war das eben gewesen? Auf ihren Schrei hin hatte sich das Tier zurückgezogen. Würde es sich mit Schreien von der Anpflanzung vertreiben lassen? Sie schrie so laut und schrill auf, daß die drei im Schiff zusammenzuckten und Rigel sogleich einen Sprung in Richtung auf die Schleuse machte. Aber dann begriffen alle, selbst Rigel, daß der Schrei Methode war: Gemma blieb ruhig stehen, das Tier dagegen machte einen Sprung rückwärts. Es sprang natürlich nicht im eigentlichen Sinn des Wortes, dafür war es selbst bei der hiesigen geringeren Schwerkraft zu massiv; doch die Bewegungen seiner Beine waren so schnell, daß der Eindruck eines Sprungs entstand.
    Aber diesmal war das Tier nicht einfach von irgendeiner Stelle zu vertreiben, die Anziehungskraft der Bohnen war offensichtlich größer als die abstoßende Kraft des Schreis. Vorsichtig kam es wieder näher.
    Gemma schrie noch einmal. Wieder wich das Tier zurück, aber diesmal nicht ganz so weit. Der nächste und übernächste Schrei wirkten noch, bei allen weiteren unterbrach das Tier nicht einmal mehr das Fressen.
    Das war nun freilich zu erwarten gewesen, wenn man ein hohes Niveau der zentralen Nerventätigkeit annahm. Aber Gemma war doch einen kurzen Augenblick lang verzweifelt - sollte wirklich die ganze Anpflanzung vernichtet werden? Angst vor dem Tier hatte sie nicht mehr, jetzt aber wurde sie wütend. Sie schrie mehrmals hintereinander und schlug dabei mit den Armen, fast instinktiv, um sich größer oder vielleicht überhaupt sichtbar zu machen.
    Der Erfolg verblüffte alle, Gemma am meisten. Das Tier stieß ein schreckliches Zischen aus, drehte sich um und galoppierte davon. Erst in großem Abstand bewegte es sich wieder langsamer, verschwand dann aber ganz hinter einer Biegung des Tals.
    Die anderen riefen Gemma ihre Glückwünsche zu und wollten ebenfalls hinausgehen, aber Gemma sagte: »Bleibt drin. Das Tier kommt gleich wieder, die Sache ist noch nicht ausgestanden.«
    Sie sah sich um und pflückte dann ein paar übriggebliebene Schoten. »Habt keine Angst, wenn ich ihm ein Stückchen entgegengehe. Das Tier ist gutmütig, ich will es zähmen und dann an uns gewöhnen. Laßt euch inzwischen mal etwas einfallen, wie wir hohe Töne erzeugen können, ohne daß wir uns die Kehle aus dem Hals schreien!«
    Gemma ging ungefähr zehn Schritte in die Richtung, in der das Tier verschwunden war, und setzte sich hin.
    Rigel hatte den Kopf geschüttelt, dann war er zur Decke geklettert und hatte dort etwas gesucht. Jetzt kam er zurück und brachte vier Handstrahler mit.
    »Die haben wir ja auch noch!« sagte er, und der Ton war deutlich drohend.
    »Pack sie wieder weg«, sagte Toliman, »die werden nicht benutzt.«
    »Warum nicht!« begehrte Rigel auf. »Du hattest sie doch längst vergessen, also kommst du auch ohne sie aus!«
    »Oh ich hatte sie bestimmt nicht vergessen«, sagte Toliman ruhig. »Sie sind unsere eiserne Energiereserve. Das heißt, ihre Ladung und die Zweitladung.«
    »Du siehst doch«, sagte Mira spöttisch, »daß Gemma mit ihrem Biest zurechtkommt, besser als irgendeiner von uns.«
    Plötzlich fiel ihr ein, wie sie ihn packen könnte. »Deine alberne Sorge um sie macht Gemma nur kleiner, begreifst du das nicht? Vielleicht brauchst du viel eher mal Gemmas Schutz als sie deinen!«
    Ohne ein Wort, aber sichtbar verdrossen kletterte Rigel wieder hinauf, um die Strahler fortzupacken.
    Inzwischen hatte es sich erwiesen, daß Gemma recht gehabt hatte: Nach einer Weile hatte das Tier den Kopf um die Ecke gestreckt, und nun kam es langsam und zögernd näher, verhielt oft, hob den Kopf hoch hinauf, senkte ihn wieder bis zur Erde, als wolle es sich aus verschiedenen Blickrichtungen davon

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