Leitstrahl für Aldebaran
Bordanlage nicht wieder anfahren, das würde einen zu großen Teil der Energievorräte verbrauchen.
Dieser »Teekessel« nun, wie Rigel das Aggregat am Bach respektlos nannte, lieferte alle fünfzehn Minuten etwa zehn Liter abgekochtes Wasser - ständig mußte jemand da sein, der den Kessel entleerte, neu füllte und das abgekochte Wasser ins Schiff transportierte; Rigel machte das, in den Pausen widmete er sich anderen Projekten.
Die Anpflanzung, die die nötigen Nahrungsmittel hervorbringen sollte, der »Gemüsegarten«, brauchte ebenfalls fast den ganzen Tag lang Pflege und Wartung; die programmierte Schnellwüchsigkeit lieferte zwar jetzt schon täglich Ernten, aber sie stellte auch hohe Ansprüche an die gärtnerische Betreuung. Ohne Pflege wären die Pflanzungen bald verwildert oder an Nährstoffmangel eingegangen. Dieser Garten war Gemmas Reich; manchmal ging ihr Rigel zur Hand oder auch Mira, wenn sie »den Kopf auslüften« kam.
Denn Mira war die einzige, die mit der Lebenserhaltung nichts zu tun hatte; halbe Nächte beobachtete sie den Sternenhimmel, am Tag dann wertete sie die Beobachtungen aus. Sie bekam genauso wenig Energie wie die anderen, aber sie mußte kontrollieren, daß keine unvorhergesehenen kosmischen Einflüsse den für ein halbes Jahr später errechneten Zeitpunkt und Raumwinkel des Leitstrahls falsch werden ließen. Trotz aller Vorbereitung, die Mira vor der Landung und der Abschaltung der Rechentechnik getroffen hatte, war dies ganz gewiß die ödeste und aufreibendste Arbeit an Bord; rechnen, rechnen, rechnen, und das wie die Vorfahren, mit Stift und Logarithmentafel. Kein Wunder also, daß sie sich von Zeit zu Zeit einen Ausgleich suchte, und gerade in der Gartenarbeit war Hilfe gefragt.
So kam es, daß sich wenigstens einmal am Tage alle hier einfanden, gleichzeitig und zufällig, auch Toliman, der seine Aufgabe in dieser Periode darin sah, bei allem Wichtigen dabeizusein, nicht einfach anwesend, sondern geistig vorbereitet, in der Lage, Überblick zu beweisen und Rat zu geben, wenn nötig, oder, falls das nicht nötig sein sollte, zu schweigen und schon die übernächsten Schlußfolgerungen zu ziehen oder wenigstens in Umrissen zu erkennen.
Nun also war der Tag gekommen, an dem alle Handlungen sich zum Erfolg summierten, an dem alle die kleinen Schritte plötzlich einen einzigen großen Schritt ergaben, und die Zufriedenheit, die ihn erfüllte, weckte seinen Widerspruch, weckte ihr Gegenteil, eine Unzufriedenheit, die zuerst beunruhigte und ihn dann veranlaßte, ihr einen Gegenstand zu suchen. Was war denn los? Fehlte etwas? Hatte er etwas zu berücksichtigen vergessen? Etwas Wesentliches? Eine Etappe war zu Ende, die nächste begann. Die nächste Etappe. Was würde sie charakterisieren? Welche Aufgabe mußte er stellen? Nein, da lag der Haken nicht, die Aufgabe war klar und schon gestellt, eine andere konnte es nicht geben: Vorräte schaffen - Vorräte an Energie, an Lebensmitteln, Wasser, ja, auch an Erfahrungen. Nicht immer würden vielleicht die Umstände so günstig sein wie jetzt. Umstände. Na ja, zum Beispiel das Wetter, immer Sonnenschein, da liefen die Kollektoren auf Hochtouren. Ja, das Wetter! Sie hatten schon zwanzig Tage gutes Wetter. Nun wußten sie zwar so gut wie nichts über klimatische Prozesse auf diesem Planeten, aber Wüsten gab es hier auch, das hatten sie bei den Umkreisungen gesehen, und Wüsten entstanden unter anderem doch wohl, wo unveränderte und ungehinderte Sonneneinstrahlung vorlag. Demnach - demnach mußte man damit rechnen, daß dieses für sie günstige Wetter sich ziemlich bald ändern würde, denn hier war ja keine Wüste, sondern feuchter Boden. Ja, das war es, darauf waren sie nicht genügend vorbereitet, erkannte er plötzlich. Nicht, daß sie diese Möglichkeit eines Wetterwechsels übersehen hätten, sie, oder richtiger: er, er selbst, hatte sie nicht in voller Schärfe gesehen. Was nämlich wäre, wenn die Schlechtwetterperiode, die vielleicht käme, ebenso anhaltend und dauerhaft würde wie die jetzige Schönwetterperiode? Oder noch länger? Es war doch denkbar, daß hier die Wetterwechsel seltener waren als auf der Erde, immerhin war ja der Äquator etwas weniger gegen die Ekliptik geneigt. Was also könnte geschehen, wenn so etwas einträte? Die Bohnen, das Hauptnahrungsmittel - war ihr Wachstum etwa von der Stärke der Sonneneinstrahlung abhängig? Toliman wußte es nicht, und daran merkte er, daß es notwendig war, ein gründliches
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