Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
mich davon überzeugen wollen, sparen Sie sich bitte Ihren Atem.«
Camille Foxworth nickte. » Das ist richtig. Ein Heiliger ist er gewiss nicht, aber zeigen Sie mir einen Mann, der einer wäre. Thomas ist über die Maßen freundlich, ergeben und sehr großzügig. Wissen Sie eigentlich, dass er meinem Bruder das Geld für den Eintritt in die Armee geliehen hat? Außerdem zahlt er seit damals die Miete für unsere Wohnung in der Stadt.« Ihre Stimme wurde weich. » Marcus und mir gegenüber hat Thomas Armstrong sich wie ein Heiliger benommen. Wir verdanken ihm sehr viel.«
Sie lachte bescheiden. » Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es wäre einfach, sich in ihn zu verlieben.« Miss Foxworth senkte den Kopf und starrte auf die verschränkten Finger in ihrem Schoß. » Aber das würde ich als dumm empfinden. Obwohl er mich gernhat, ist er nicht auf diese Weise an mir interessiert. Ich bin für ihn, auch wenn er das höflicherweise bestreiten würde, nichts anderes als Marcus’ bedauernswerte jungfräuliche Schwester, die Schutz braucht, solange ihr Bruder im Krieg ist. Und Sie sollten wissen, dass ich damit zufrieden bin.« Sie schaute zu Amelia auf. » Niemals würde ich etwas tun, was unsere Freundschaft beeinträchtigen könnte.«
Warum erzählte Camille ihr das alles? Amelia hatte ihr doch bereits zu verstehen gegeben, dass sie sich nicht für sie und Thomas und die wahre Natur ihres Verhältnisses interessierte. Und doch flatterte und pochte ihr Herz auf geradezu unerhörte Weise.
Obwohl sie die Weihnachtstage in Berkshire zu verbringen gedachten, wurde das Haus genauso geschmückt, als blieben sie auf Stoneridge Hall. Im Frühstückszimmer stand ein wundervoller Weihnachtsbaum, dessen starke Äste eine beachtliche Menge Bronze- und Silberschmuck trugen. Vor dem Nachthimmel im Hintergrund strahlten die Kerzen wie ein festliches Leuchtfeuer.
Doch trotz der Weihnachtsatmosphäre ringsum wollte bei Thomas keine festliche Stimmung aufkommen. Noch nie hatte er so angespannte Wochen verbracht wie die letzten drei, und das lag nur an Amelia– sie war schuld an seiner Unruhe, seiner Rast- und Schlaflosigkeit. Dass er ihr die Unschuld geraubt hatte, bereitete ihm Gewissensbisse, vermochte jedoch nicht sein brennendes Verlangen nach ihr abzutöten. Deshalb hielt er Abstand zu ihr, soweit es ihm möglich war.
Wie oft hatte er zu ihr gehen und ihr die Sache mit den Briefen erklären wollen, doch zwei Gründe hielten ihn immer wieder zurück. Erstens wusste er keine ernsthafte Entschuldigung vorzubringen, denn schließlich hätte er dem Rat ihres Vaters keine Folge leisten müssen, und zweitens spürte er, dass sie ein Friedensangebot von seiner Seite ausschlagen würde. Sie behandelte ihn wie einen Unberührbaren, und ihm schien, dass sie es zutiefst bereute, ihm ihre Unschuld geopfert zu haben.
Er zwängte sich zwischen Tischchen und Sofa hindurch und ließ sich in den Armsessel sinken, der dem Weihnachtsbaum gegenüberstand. Schweigend schaute er hinüber und sah, wie der kostbare Schmuck im schwachen Schein des Halbmonds, der durchs Fenster lugte, golden und silbern funkelte. Er war noch zu wach, um ins Bett zu gehen, und kein Buch könnte ihn zudem von den Gedanken an das ablenken, was er am liebsten tun würde. Nicht einmal ein Drink vermochte seine Nerven zu besänftigen oder seine verkrampften Muskeln zu lösen. Nein, in der vergangenen Woche war einfach nichts so gelaufen, wie es sollte.
Thomas ließ den Kopf auf das Polster sinken und schloss die Augen, ohne jedoch Amelias hübsches Gesicht aus seinem Kopf vertreiben zu können.
Das Rascheln von Stoff riss ihn aus seinen Gedanken. Er schlug die Augen auf und schnellte hoch, der Blick flog zum Eingang. Niemand anders als die Gestalt, die nachts seine Träume und tags seine Fantasien heimsuchte, glitt ins Zimmer und stellte sich vor den Weihnachtsbaum. Thomas blickte zur Standuhr neben dem Kamin: viertel vor elf.
Warum war sie noch unterwegs? Du lieber Himmel, warum hatte sie nicht mehr an als diesen seidigen blauen Fetzen Stoff– diesen Hauch von Morgenrock, der von ihren schlanken Schultern bis zu den bestrumpften Zehenspitzen fiel? Er starrte sie an wie ein Mann, der allzu lange keine Frau mehr berührt hatte.
Thomas stützte die Unterarme auf die gespreizten Beine. Amelia erschrak und wirbelte herum. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn in der dunklen Ecke entdeckte, und sie griff sich an den Hals.
» Mein Gott, ich hatte ja keine Ahnung, dass
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