Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
sich auf äußerst knappe Mitteilungen. Guten Morgen, ich bin heute in den Ställen. Und dann war er schon verschwunden, um frühestens gegen Abend wiederaufzutauchen. Ihre Arbeitsstunden verbrachte sie alleine. Beim Abendessen sprach er nur selten mit ihr, zog es stattdessen vor, sich nahezu ausschließlich mit Camille Foxworth zu unterhalten, die sich als dankbare Zuhörerin erwies. Sie hingegen wurde ziemlich ignoriert. Wie arrogant von ihm und wie typisch, dachte sie bitter.
» Lady Amelia?«
Sie erschrak, als sie ihren Namen hörte, und drehte sich rasch zu der blassen, dünnen Frau um, die im Eingang zum Salon stand. Wenn man vom Teufel redete oder, wie in diesem Fall, an ihn dachte…
Es war ihre Anstandsdame. Seit Neuestem beherzigte Camille Foxworth Amelias Rat und trug eine farbenfrohere Garderobe, die ihrem Teint mehr schmeichelte wie etwa das gelblich grüne Kleid mit dem wogenden Rock.
» Ist irgendetwas nicht in Ordnung? In letzter Zeit sind Sie so still.« Miss Foxworth näherte sich mit langsamen, zierlichen Schritten.
Amelia zwang sich zu einem schwachen Lächeln. » Es ist wirklich nichts. Ich war nur gerade tief in Gedanken versunken.«
» Vermissen Sie Ihr Zuhause?«
» Ja, vielleicht ein bisschen.« In diesem Fall war es einfacher zu lügen, als zwanzig Fragen zu beantworten oder die Wahrheit zu sagen.
» Können wir uns setzen? Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen.« Miss Foxworth ging zu dem dunkelblauen Sofa an der linken Seite.
Du liebe Güte, das klang ja alles sehr geheimnisvoll. Amelia ließ sich auf einen Stuhl sinken, unterdrückte jeglichen Anflug von dunkler Vorahnung und ordnete zur Ablenkung eifrig ihre Röcke.
Ihre Anstandsdame nahm auf der Sofakante Platz, faltete die Hände im Schoß und setzte eine ernste Miene auf. » Ich möchte Ihnen sagen, dass Thomas keinerlei Absichten oder so auf mich hat.«
Amelia schaute sie konsterniert an. Mit allen möglichen Geständnissen hätte sie gerechnet, aber nicht mit solchen Offenbarungen. Im Leben nicht!
» Pardon?«
Miss Foxworth musterte sie mit klugem Blick. » Am Anfang, als ich herkam, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie sich fragen, in welcher Beziehung wir zueinander stehen mögen. Oh, bitte verstehen Sie mich nicht falsch«, fügte sie hastig hinzu, » ich verüble Ihnen Ihre Reaktion selbstverständlich nicht. Wenn er mir seine Zuneigung schenken würde, könnte ich versucht sein, mich ähnlich zu verhalten. Und das ist der Grund, weshalb ich das Bedürfnis verspüre, Ihnen zu versichern, dass ich ihm nichts bedeute… Jedenfalls nicht in romantischer Hinsicht.«
Amelia lachte auf, erholte sich langsam von dem Schock, den Camilles Worte in ihr ausgelöst hatten– und zugleich von der Erkenntnis, wie genau diese unscheinbare Frau zu beobachten vermochte. » Sie irren sich sehr. Nichts könnte der Wahrheit weniger entsprechen.« Mit angehaltenem Atem achtete sie darauf, dass sie die Beherrschung wahrte und sich keine Blöße gab. » Und es geht mich überdies nichts an, worin die wahre Natur Ihres Verhältnisses zu Lord Armstrong besteht.«
Jetzt machte Miss Foxworth einen verwirrten Eindruck. » Das heißt, Sie sind auf ihn böse, nicht auf mich?«
» Nein, ich wollte sagen… Ja, also, was ich sagen wollte: Ich bin auf niemanden böse. Warum auch? Er kann sich mit so vielen Frauen einlassen, wie es ihm gefällt. Es geht mich nichts an.« Amelia glaubte, das unangenehme Thema sei damit beendet, doch sie hatte Miss Foxworths Hartnäckigkeit unterschätzt.
» Sie müssen verstehen. Seit wir in London waren, sind wir doch gut miteinander ausgekommen. Ich möchte einfach nicht, dass…«
» Wirklich, Miss Foxworth, ich finde nicht, dass ich…«
» Missbilligen Sie ihn wegen der Dinge, die Sie auf dem Ball geäußert haben?«
Du liebe Güte, wusste diese Frau nicht, wann Schluss war?
» Wenn der Fall so liegt, muss ich Sie leider eines Besseren belehren. Es ist nicht so, dass Thomas in der Stadt umherzieht und unterschiedslos mit jeder Frau ins Bett geht, die seinen Weg kreuzt. Das nehmen Sie doch an, oder?« Miss Foxworth schien unerschütterlich überzeugt von der Wahrheit ihrer Worte. Gerade so, als sei Amelia das bedauernswerte, unwissende Mädchen, während sie selbst sich gut unterrichtet gab und erfahren hinsichtlich der inneren Zusammenhänge menschlichen Verhaltens. Amelia fand das irgendwie unpassend. Wenn überhaupt müsste es umgekehrt sein.
» Der Mann ist gewiss kein Heiliger. Falls Sie
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