Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Körpers war mancher Teil ihres Körpers beinahe so vertraut wie ihr selbst. Daher brachte sie es kaum noch fertig, die Form zu wahren, wenn sie über ihn nachdachte.
Du lieber Himmel, welcher Teufel hatte sie nur geritten, ihn so hemmungslos zu küssen? Sie wusste nur eines, dass es sie unverändert heftig nach ihm verlangte, auch nachdem er außer Sichtweite war. Und vermutlich ging es ihm nicht anders. Wie sehr hatte sie ihm beweisen wollen, dass nicht nur sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen fühlte, sondern dass es sich umgekehrt genauso verhielt. Aber das Wissen darum, dass es stimmte, machte die Sache nicht besser. Ganz im Gegenteil, es schien alles schlimmer geworden dadurch.
Zunehmend merkte sie außerdem, wie sehr Thomas sich von Lord Clayborough unterschied. Der Baron hatte ihr nicht einmal ein Bruchstück der körperlichen Reaktion entlocken können. Nun gut, aber war’s das nicht schon? Eine verständliche körperliche Reaktion auf einen attraktiven, geradezu umwerfend gut aussehenden Mann? Was sie mit Lord Clayborough verband, war wichtiger als das, redete sie sich ein und fragte sich gleichzeitig, warum auf keinen ihrer drei Briefe eine Antwort gekommen war. Was vor allem deshalb ungewöhnlich schien, weil er sich früher immer übermäßig besorgt gezeigt hatte. Irgendetwas stimmte nicht. Und als ob das nicht genug wäre, sollte sie jetzt auch noch mit Thomas und seiner Familie nach London reisen.
Gerade als Amelia sich verzweifelt eingestehen wollte, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen konnte, fiel ihr ein, dass Clayborough sich in London aufhielt. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Endlich würde sie wieder Boden unter die Füße bekommen. Allerdings konnte sie nicht behaupten, dass sie sich auf den Mann freute, den sie als ihren Verlobten betrachtete. Aber Gefühle spielten in dieser Beziehung schließlich keine Rolle. Hauptsache, sie konnten sich sehen und alles Weitere planen. Der Viscount ahnte nicht, welch unerwartetes Geschenk er ihr mit dieser Reise nach London machte. Jedenfalls eines, das sie nach besten Kräften ausnutzen würde.
15
D ie Fahrt nach London verlief ereignislos. Um Punkt zwei Uhr nachmittags trafen sie beim Stadthaus der Armstrongs in Mayfair ein. Und wie von Amelia vorausgesehen begann ihr Streit mit Thomas genau eine Stunde später, fünf Minuten nachdem die Viscountess mit ihren Töchtern das Haus verlassen hatte.
Sie standen sich im Salon von Lady Armstrong gegenüber und hätten am liebsten in stummem Einverständnis einen großen Bogen umeinander gemacht, aber die Umstände verlangten, dass sie sich nicht aus den Augen ließen.
» Ihre Mutter hat mich eingeladen, sie und Ihre Schwestern zu begleiten. Ich hätte es tun sollen.«
» Ihr Vater hat Sie nicht zu mir geschickt, damit Sie durch die Stadt spazieren und deren Annehmlichkeiten genießen.«
» Mir wird also der Einkaufsbummel durch die Bond Street verwehrt? Ich brauche ein paar persönliche Dinge. Was erwarten Sie von mir?«
» Schreiben Sie alles auf eine Liste. Ich finde jemanden, der Ihre Besorgungen erledigt.«
Schweigend zählte Amelia bis fünf, widerstand der Versuchung, ihm den Kandelaber vom Kaminsims über den Schädel zu schlagen. » Mit anderen Worten, ich werde in diesem Haus wie eine Gefangene gehalten?«
» Nun, wollen wir mal sehen. Bis zu unserer Abreise am Sonntag sind Sie verpflichtet, sich nicht nach draußen zu begeben. Also ja, ich würde sagen, Sie haben die Lage genau erfasst.«
Thomas lächelte nicht. Das angespannte Gesicht und der kühle Blick verrieten ihr, dass er ihr nicht den geringsten Spielraum zugestehen würde. Mehr und mehr entwickelte es sich zu einer Aufgabe von geradezu unübersehbaren Ausmaßen, Lord Clayborough eine Nachricht über ihre Ankunft in der Stadt zukommen zu lassen.
» Wenn Sie die Liste fertig haben…«
Wütend und mit zusammengepressten Lippen starrte Amelia ihn an. Nicht nur wegen seiner Sturheit, sondern wegen seines Verhaltens insgesamt. Wenn er überhaupt noch mit ihr sprach, dann nur das Nötigste und das außerdem knapp und nicht gerade freundlich. Im Grunde belehrte er sie nur über ihre Pflichten. Obwohl sie sich mehr als einmal ins Gedächtnis rief, dass sie seine Aufmerksamkeit gar nicht wollte, glaubte sie langsam selbst nicht mehr daran. Sie machte sich etwas vor, wünschte sich einerseits inständig, sich nicht beirren zu lassen, und andererseits war es eine unumstößliche Tatsache, dass es sie sehr wohl beirrte.
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