Lektionen (German Edition)
Sarah ihn in den Saal. Die Männer trugen fast alle Smoking, die Frauen Cocktail- oder Abendkleider. Na und? Sarah war zwar auf ihre Art herausgeputzt, zweifelte allerdings, dass diese irgendeinen Verdacht wecken würde.
Eine Menschenmenge hatte sich um den Tresen für Gratisgetränke versammelt. Sarah schob George darauf zu. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer vor ihm. Der Barkeeper nahm ihre Bestellungen außer der Reihe entgegen. Es hatte also auch Vorteile, gehbehindert zu sein.
Ein Mann mit «Karl» auf der Jacke und eine Frau mit «Liz» über der linken Brust stellten sich vor. Beide arbeiteten in einer Abteilung, für die George Programme schrieb.
«Ich wusste ja nicht …», sagte Carl und deutete mit kreisendem Finger auf Georges Rollstuhl.
George zuckte mit den Schultern. «Warum solltest du? Das ist einer der Vorzüge elektronischen Pendelverkehrs, er macht alle gleich.»
Das Gespräch wandte sich Fachfragen zu, die weit über Sarahs begrenztes Computerwissen hinausgingen. Georges Hand ruhte auf der Armlehne seines Rollstuhls. Sarah drückte ihren Schenkel an seine Fingerrücken. Er warf ihr einen dankbaren Blick zu und erwiderte den Druck. Von da an zappelten seine Finger hin und wieder ganz sacht. Sarah schaute verstohlen in seinen Schoß. Kein Anzeichen für einen Ständer, was aber nicht bedeutete, dass er keinen bekommen konnte.
Ein Zeremonienmeister verkündete den Beginn des Festmahls. Sarah rollte George in den Speisesaal. Carl nahm den Stuhl vor Georges Tischkarte fort. Auf Sarahs Karte stand «Gast». Es gab Minestrone oder Antipasto, gefolgt von entweder Büffelsteak oder Täubchen. Sarah war Taubenfleisch nicht geheuer, und folglich nahmen beide das Steak, das mit Pflaumensoße serviert wurde und nach Sarahs Eindruck mit Grashalmen verziert war.
George bestellte eine Flasche Chianti für sie beide. Der Wein war trocken genug, dass ihr die Zunge am Gaumen haften blieb, aber sie fand ihn durchaus lecker.
Das weiße Leinen bedeckte ihrer beider Schenkel. Im Wunsch, George einen Gegenwert für seine zweitausend Dollar zu bieten, und als Versuch legte Sarah ihre Hand im Schutz der Tischdecke auf seinen Schenkel. Sein Bein zuckte. Es fühlte sich ziemlich muskulös an. Vielleicht war er ja noch nicht lange genug verkrüppelt, dass es hatte verkümmern können.
Er hatte also Gefühl in den Beinen, was bedeuten musste …
Seine Finger berührten ihren nylonbespannten Schenkel eben oberhalb des Knies und streichelten ihn hinauf bis zum Rand des Strumpfbands. Sarah ruckte auf ihrem Stuhl nach vorn, sodass seine Fingerspitzen über ihre nackte Haut streiften. Beide wandten sich halb um, um einander anzusehen, eine Frage in seinen Augen und eine verheißungsvolle Antwort in ihren. Sie glaubte, tatsächlich etwas für den Armen zu empfinden, nicht gerade Liebe, aber zumindest so etwas wie Zuneigung. War das verdreht? War es etwas Hormonelles oder Psychologisches? Sie hatte sich entschlossen, George in jener Nacht noch glücklich zu machen. Hatte dieser Entschluss ein Gefühl in ihr ausgelöst? Sollte er das, dann könnte das Dasein als Begleiterin größere Befriedigung bieten als bloß durch Geld und Sex.
Wie hatte sie für die Exhibitionisten James und Daphne empfunden? Warm. Unbedingt warm. Sie betrachtete sie nun als ihre Freunde, obwohl sie die beiden wahrscheinlich nie wiedersehen würde.
Jack war natürlich noch einmal etwas anderes. In ihn, ihren Ersten, hatte sie sich aufrichtig verliebt.
Weil er ihr Erster gewesen war?
Darüber würde sie noch nachdenken müssen, aber später. Jetzt gerade beschrieben Georges Fingerspitzen kleine Kreise auf ihrer bloßen Haut, und sie genoss es ungemein. Jener Hauch eines Kitzels kam auf. Carpe diem , sagte sie sich, nutze den Tag. Eine Zeile aus einem Lied, das ihr Dad ihr manchmal vorsang, kam ihr in den Sinn: «Ist die Liebste in ferner Weite, liebe jene an deiner Seite.» Zum ersten Mal in ihrem Leben leuchtete ihr die Botschaft vollkommen ein.
Tischreden wurden gehalten über Sachen und Leute, an denen Sarah nichts lag, und sie widmete sich daher dem, was Georges Finger taten, und malte sich aus, was diese nach ihrer beider Rückkehr in seine Wohnung mit ihr anstellen würden. Ein Mann, der nicht gehen konnte, konnte immer noch küssen, und sie schwärmte fürs Küssen. Ebenso konnte er immer noch seine Finger gebrauchen, und George schien darin großes Zartgefühl zu haben.
Aber sie sollte sich besser überlegen, womit sie ihm eine
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