Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lemberger Leiche

Lemberger Leiche

Titel: Lemberger Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Ramge
Vom Netzwerk:
hier wohnte, hat er immer für Brünnhilde gekocht – ich konnte ihn durchs Küchenfenster sehen, das dann offen stand. Es roch nach Fleischküchle, gegrillten Hähnchen oder Rinderrouladen.«
    Irma stellte sich vor, wie Frau Würmle-Brommer ihre Nase aus ihrem Dschungel zum Nachbarhaus reckte, um herauszufinden, was dort gekocht wurde.
    »Er hat sich auch mit Renovierungen, Fensterrahmen streichen und so, nützlich gemacht und die Kehrwoche auf dem Hof erledigt. Aber seit einiger Zeit schon hat er damit aufgehört. Dafür ist er immer öfter außer Haus. Zumindest geht er fast jeden Abend weg. Ohne Brünnhilde und immer picobello angezogen.« Obwohl es unwahrscheinlich war, von jemandem gehört zu werden, senkte Frau Würmle-Brommer die Stimme. »Wenn er dann irgendwann mitten in der Nacht heimkommt, geht er hier über den Hinterhof und zur Kellertür rein.«
    »Und Sie sind auch rein zufällig mitten in der Nacht auf ihrem Balkon und können das beobachten.«
    »Ich bin eine alte Frau und schlafe schlecht«, sagte sie pikiert. »Und das eine kann ich Ihnen sagen: Seit das Kerlchenerst spät nachts heimkommt, hängt der Haussegen auf Halbmast. Da wird jeden Tag und oft auch nachts gestritten, dass es bis zu mir herüberschallt. Da wackeln die Wände!«
    »Heute ist aber niemand zu Hause«, stellte Irma fest.
    »Seit dieser Woche ist Ruhe. Vielleicht sind sie verreist«, sagte Frau Würmle-Brommer.
    Irma fand, dass das fast bedauernd klang. Vermutlich war das seltsame Treiben im Nachbarhaus die einzige Abwechslung für die alte Frau. Sie bedankte sich bei Frau Würmle-Brommer und ging Katz suchen. Er saß vor dem Haus unter einem Ahornbaum und döste.
    »Wach auf, Herr Kommissar!«, rief Irma. »Höre, was es Neues gibt.«
    Katz gähnte und brummte: »No was?«
    »Neu ist ein kleiner Bruder. Wenn es kein Bruder ist, dann zumindest ein junger Mann, der nun wahrscheinlich gemeinsam mit Frau Kurtz am Strand von Mallorca in der Sonne liegt.«
    »Do könne mer des abhake!?«
    Irma wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    Doch Katz schien Frau Kurtz wirklich schon abgehakt zu haben und murmelte etwas von Feierabend. »Es isch scho nach sechse und immer no so a idiotische Hitz!«
    »Stimmt«, stöhnte Irma. »Ich bin am Verdursten.«
    »Du brengsch mi uff a Idee«, sagte Katz. »Folg mir oifach oauffällig.«
    Die Mühlstraße hinunter, vorbei am Gering-Platz mit der alten Kelter, war ein klitzekleiner Altstadtspaziergang. Katz überquerte schnurstracks die Stuttgarter Straße und steuerte das Eiscafé
Capri
an.
    Kurze Zeit später saßen sie unter einem Dach aus Kastanienästen. Irma schlürfte einen Eiskaffee und Katz löffelte einen Hawaiibecher. Ihre Lebensgeister kehrten langsam zurück.
    Katz leckte sich die Lippen. »Des wär au was für mei Ina gwäe.«
    »Na, ist ja bald Wochenende, das könnt ihr zusammen in einer Eisdiele verbringen.«
    »Leider net. Ina isch uff me Wochenend-Ritt nach Heidelberg zu rer Zahnarzt-Assistentinnen-Fortbildung.«
    »Äh …?«, machte Irma. »Da du gerade Ritt sagst: Frau Würmle-Brommer hat fleißig geplaudert. Unter anderem über einen Walkürenritt.«
    »Hab’s ghört.«
    »Dann hast du auch gehört, dass unsere Filialleiterin eine Leidenschaft für die Musik von Wagner hat. Findest du das nicht irgendwie bemerkenswert?«
    Katz grinste und verwies darauf, dass seine Oma auch Wagnerfan sei und sich in ihrer Glanzzeit als Opernstatistin eine stattliche Schallplattensammlung zugelegt habe. »Früher hot se den Walkürenritt oft ghört, aber vielleicht isch ihr des jetzt em Alter zu wild.«
    »Ich hab’s nicht so mit Wagner«, sagte Irma. »Ich kenn das Stück gar nicht.«
    »Diese Musik isch so oheimlich, dass grauenvolle Filmszenen damit unterlegt werde. Zuletscht in
Operation Walküre
, dem Film iebern Stauffenberg.«
    »Hab ich nicht gesehen«, sagte Irma. »Noch ’ne Bildungslücke von mir.«
    »Aber vielleicht hosch
Apocalypse now
gsehe?«
    »Mein Exfreund hatte die DVD. Er hat Filme mit Marlon Brando gesammelt. Mein Lieblingsfilm war
Endstation Sehnsucht
mit Vivien Leigh. Martins Favoriten waren
Der Pate
und
Apocalypse now

    Katz grinste. »Mei Lieblingsfilm mit Brando isch
Der letzte Tango in Paris
. Das Erotischste, was i je gsehe hab. Wow!«
    »Das hätte ich dir gar nicht zugetraut«, sagte Irma. »Aber es ist ja nicht nur eine höchst erotische Geschichte, sondern auch eine todtraurige. – Für mich jedenfalls ist
Apocalypse now
das

Weitere Kostenlose Bücher