Lemberger Leiche
nicht gleich laut, Eichhörnle«, sagte Schmoll. »Reg dich ab und hör zu: Ich hab nun die Sache lange genug von allen Seiten betrachtet, und da keine weiteren Verdächtigen auszumachen sind, hab ich Interpol bereits eingeschaltet. Die Papiere mit dem Amtshilfeersuchen müssten morgen auf dem Schreibtisch der Kollegen in Palma liegen!«
Irma meinte, Schmoll könne den Stein, der ihr vom Herzen fiel, poltern hören. »Hast mich ja wieder einmal ganz schön zappeln lassen, verehrter Boss. Aber ich gebe zu, meist hast du Gründe dafür, deine Mitarbeiter derartig zu foltern. Mach’s gut, Schmoll. Ich melde mich, wenn die Dame festsitzt. Ach so, noch was: Könnt ihr den kleinen Fabian Knorr nicht endlich rauslassen?«
»Das ist Kollege Stöckles Sache. Er will Knorr erst entlassen, wenn das Rätsel gelöst ist, wie die tausend Euro in den Rucksack gekommen sind.«
»Wie viele Beweise will der Stöckle denn noch, damit er einsieht, dass dem Jungen das Geld zugesteckt worden ist?«
»Vielleicht verrät es dir schon morgen Frau Kurtz.«
»Line hat Fotos von ihr geschossen.«
»Na, so schön ist diese Dame doch auch nicht, dass wir noch mehr Konterfeis von ihr benötigen.«
»Du wirst dich wundern!«
Dreizehn
Freitag, 9. Juli
An diesen Morgen fuhr Irma nach Palma aufs Polizeipräsidium und erledigte die Formalitäten für die Amtshilfe. Der zuständige Chefinspektor, Carlos Fernández, sah weniger wie ein Stierkämpfer aus, was Irma erwartet hatte, sondern mehr, wie man sich landläufig einen Buchhalter vorstellt. Er war ein freundlicher Mensch mit sprödem Charme und mäßigen Deutschkenntnissen. Wenn Irma langsam sprach und einfache Sätze bildete, verstand er sie zwar, aber um ihm die verzwickte Sachlage des Falles schnell klar zu machen, hätte sie die Hilfe eines Dolmetschers gebraucht. So dauerte die Erklärung ziemlich lange.
Als Fernández schließlich alles verstanden hatte, war er sofort bereit, mit Irma nach Son Vida zu fahren, um Brünnhilde Kurtz festzunehmen.
Als sie am späten Vormittag endlich im Hotel
Castillo
eintrafen, war Frau Kurtz verschwunden. Das stellte sich aber erst so nach und nach heraus. Der Herr an der Rezeption, der wie ein Denkmal zwischen zwei Säulen unter einem Rundbogen stand, wollte nicht verstehen, was in dem Nobelhotel, in dem er nur für feine Leute zuständig war, ein Polizist zu suchen hatte. Noch weniger konnte er eine deutsche Kripokommissarin mit wehender Haarmähne und in ein zipfeliges Sommerkleidchen gewandet akzeptieren. Nach einem Telefongespräch mit seinem Vorgesetzten tauchte dieser unverzüglich zur Verstärkung auf.
Nachdem er die Polizeiausweise einem eingehenden Studium unterzogen hatte, entschloss er sich trotz früher Stunde, wie er sagte – es war mittlerweile halb zwölf Uhr mittags –, Frau Kurtz mit einem Anruf zu belästigen. Leider wurde nicht abgenommen. Daraufhin begaben sich Chefinspektor Fernández und Irma gemeinsam mit dem Herrnaus der Chefetage zu Zimmer 413. Doch trotz nachdrücklichen Türklopfens tat sich nichts.
Inzwischen waren auf dem Flur der vierten Etage mehrere Hotelangestellte und einige der exklusiven Gäste aufgetaucht. Alle redeten aufgeregt durcheinander. Irma konnte sie zwar nicht verstehen, da das Personal spanisch und die Hotelgäste russisch sprachen, aber sie sah ihnen an, dass sie Vermutungen über einen Raubmord anstellten und eine Leiche hinter der verschlossenen Tür witterten. Zur allseitigen Enttäuschung entschieden der Chefinspektor und Irma, zuvor den Park und das Umfeld des Hotels abzuklappern.
Erst als Frau Kurtz nach fast zweistündiger Suche nicht gefunden worden war, wurde das Zimmer 413 mit dem Generalschlüssel geöffnet.
Beim Eintreten verschlug es Irma die Sprache. Wahrscheinlich ging es Chefinspektor Fernández genauso, aber er hatte die Gabe, absolut amtlich geradeaus zu blicken. Was es hier zu sehen gab, war durchaus keine zerstückelte Leiche, sondern das Aha-Erlebnis eines Grand-Deluxe-Rooms.
Donnerwetter, dachte Irma, Frau Brünnhilde Kurtz macht keine halben Sachen! Sie hat sich etwas wahrhaft Fürstliches gegönnt.
Die Gardinen vor dem breiten Fenster und der Balkontür waren zurückgezogen und boten einen atemberaubenden Blick auf die Bucht von Palma. Das riesige Zimmer war mit allem Komfort ausgestattet: modernes, edles Mobiliar, Klimaanlage, eine Minibar, die eigentlich eine Maxibar war, ein in die Wand eingelassener TV-Großbildschirm, DVD-Player, Internetanschluss und Telefon. Und
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