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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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war ein größeres Gelände mit einer Betonmauer umgeben worden, wo unter Bäumen zwei völlig unscheinbare doppelstöckigePlattenbauten standen. Die Ausbildung war kostenlos und völlig anonym. Fünfzig Schüler – fünfunddreißig Männer und fünfzehn Frauen – zwischen zwanzig und dreißig Jahren wurden dort zwei Jahre lang ausgebildet. Ihre wahren Namen kannten sie nicht. Sie sprachen einander nur mit Decknamen an.
    Eine der Bedingungen war die ununterbrochene Anwesenheit in der Schule. Freie Wochenenden oder Ferien gab es nicht.
    Die Schüler wohnten paarweise in einem Zimmer mit Dusche und Toilette. Der Tagesablauf war auf die Minute eingeteilt.
    Als der Lehrgang zu Ende war, beherrschte Sweta alle denkbaren Waffen, kannte eine ganze Reihe östlicher und westlicher Kampftechniken, sprach fließend Englisch und konnte jedes Fahrzeug führen – vom Motorrad bis zum Hubschrauber. Sie hatte gelernt, zu tauchen, tagelang nicht zu essen und zu schlafen, Alkohol zu sich zu nehmen, ohne betrunken zu werden, jeden Unbekannten auf der Straße anzusprechen, Verfolger zu entdecken und abzuschütteln. Und noch vieles andere, was sie bei ihrer künftigen Arbeit brauchen konnte.
    Die Arbeitgeber kamen in die Schule, waren bei den Prüfungen anwesend und schauten sich die Absolventen an. Von den fünfzehn Frauen wählte Andrej Iwanowitsch Sweta aus.
    »Ich gebe Ihnen eine Woche frei«, sagte er. »Schauen Sie sich in Moskau um. Immerhin haben sie zwei Jahre lang in völliger Abgeschiedenheit verbracht. Sonntagabend erwarte ich Ihren Anruf.« Dann gab er Sweta einen Umschlag mit den Worten: »Das sind tausend Dollar. Kaufen Sie sich was zum Anziehen.«
    Andrej Iwanowitsch gefiel Sweta. Er war zurückhaltend und sehr höflich. Andere Arbeitgeber wählten ihre Angestellten aus wie eine Ware …
     
    Zur Personenüberwachung wurde Sweta selten eingesetzt. Als Andrej Iwanowitsch ihr den Auftrag gab, Amalia Petrowna zu beschatten, seufzte er tief auf.
    »Meine besten Kräfte verschwende ich für diese triviale Person. Aber was soll ich tun? Sie ist der Anfang einer ganzen Kette. Es geht nicht in erster Linie um sie, sondern um die, mit denen sie sich trifft.«
    Der erste erschien am frühen Abend in dem kleinen georgischen Restaurant am Miusski-Platz. Sweta hatte sich rasch im Auto umgezogen, Jeans und Pullover gegen ein schmales schwarzes Minikleid eingetauscht und sich anders geschminkt. Das Restaurant betrat sie mit einem breitschultrigen Begleiter. Der wortkarge Kostja, ihr heutiger Partner, zog sich statt der Lederjacke ein edles Jackett über und setzte sich eine Brille mit Drahtgestell und Fensterglas auf die Nase, was ihn auf der Stelle in einen smarten jungen Geschäftsmann verwandelte.
     
    Im Restaurant war noch nicht viel los. Auf den Tischen brannten Kerzen.
    »Du bist so steif, Dmitri. Entspann dich. Wir reden heute nicht übers Geschäft.« Amalia Petrowna strich Kurotschkin leicht über die Wange.
    Sie saß ihm an einem runden Tischchen gegenüber. Zwischen ihnen zitterte das Flämmchen der Kerze und warf bizarre Schatten. Amalia Petrownas Gesichtszüge wechselten: Bald glaubte Kurotschkin darin das junge, hübsche Oval seiner Studentenliebe Li zu entdecken, dann wieder war sie alt und häßlich.
    Er stocherte unlustig im Essen herum und schwieg.
    »Dmitri, sag doch was.«
    »Ich bin müde geworden, Amalia«, murmelte er, ohne den Blick zu heben.
    »Auch ich bin müde. Heute abend wollen wir uns gemeinsam entspannen. Die letzten Tage waren nicht einfach, aber jetzt wird alles gut. Und wenn wir in den nächsten ein,zwei Monaten gemeinsam genügend Material beschaffen, dann können wir uns eine Woche irgendwo in der Sonne gönnen, in Ägypten oder Thailand. Was meinst du?«
    Kurotschkin blickte verwundert auf.
    »Du willst mit mir in Urlaub fahren?«
    »Warum nicht? Ich habe das Alleinsein satt. Du bist Witwer, und ich bin alleinstehend. Warum sollten wir uns auf die alten Tage nicht mal eine kleine gemeinsame Freude gönnen?«
    »Aber wir haben doch heute ein ganz anderes …« – Kurotschkin räusperte sich –, » …ein ganz anderes Verhältnis zueinander …«
    »Warum nennst du mich nicht wieder Li? Diesen wunderbaren Namen hast du mir gegeben.«
    Der Kellner brachte den nächsten Gang. Als er sich entfernt hatte, kam es leise von Kurotschkin: »Ich wollte dich fragen: Habt ihr bei der Frau, die ich dir geschickt habe, künstliche Wehen ausgelöst?«
    »Bei welcher Frau?«
    »Poljanskaja heißt

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