Lenas Mondnächte (German Edition)
verräterische Gedanke ein, ob nicht einfach ihr Stolz verletzt war und sie deshalb so wütend auf sich und so entsetzt über ihn war.
Am Ende der dritten Woche fing sie an, unruhig zu werden. Sie fühlte sich seltsam rastlos und ertappte sich immer wieder dabei, wie sie Nachts an ihrem Fenster Ausschau nach dem Mond hielt, der sich erneut rundete und bald voll sein würde.
Sie wusste, diese Nächte – diese Mondnächte, wie sie sie selber getauft hatte – waren jene Nächte, in denen Tomm nicht in seinem Chat war, sondern stattdessen seine Frauen traf.
Lenas Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Nichts konnte sie beruhigen, nichts sie besänftigen oder gar ablenken. Sie tigerte durch ihre kleine Wohnung wie eine Raubkatze auf Beutesuche. Mochte nichts essen und nichts trinken und kämpfte gegen den Drang an, sich an den PC zu setzen und nachzuschauen, ob er eine Nachricht für sie hinterlassen hatte. Und sie gar zu einem neuen Treffen bat.
Sie war sich sicher, dass dies nicht der Fall sein würde. Zumindest redete sie sich ein.
Immer wieder haderte sie mit ihrem Schicksal. Sie war der Meinung, jetzt zu wissen, warum keine der anderen Frauen je wieder im Chat aufgetaucht war. Kein Wunder, wenn er sie so schäbig missbraucht hatte, wie sie!
Am späten Nachmittag des neuen Vollmondes gab sie dann endlich den Kampf gegen sich selber auf. Und gestand sich selber ein, dass – trotz allem was vorgefallen war – sie ihn wiedersehen wollte. Sie sehnte sich nach ihm und vermisste ihn.
Sie hatte nicht ihn bestraft, mit ihrem Schweigen – sondern nur sich selbst!
Mit einem tiefen, befreienden Seufzer setzte sie sich an ihren Schreibtisch und loggte im Internet ein. Es überraschte sie kein bisschen, als sie sah, dass er in der „Seligkeit“ auf sie wartete.
„Meine brave Lena!“ kamen sofort seine Begrüßungsworte. „Ich wusste, du würdest mich nicht enttäuschen! Ich bin so stolz auf dich!“
Seltsam. Diese Worte legten sich auf wundersame Weise wie heilender Balsam um ihre geschändete Seele und schon fing ihr Herz wieder erwartungsvoll zu pochen an.
„Gleiche Zeit, gleicher Ort, gleiche Bedingungen. Ich erwarte dich wie beim letzten Mal, meine Lena!“ schrieb er ihr noch, dann war er aus dem Chat verschwunden.
Und erst als er ausgeloggt war, wurde ihr bewusst, dass sie seine Macht über sich bedingungslos akzeptiert hatte. Dass sie ihm gehörte und sein Geschöpf war – wie er es vorher eingefordert hatte. Es bedarf keiner Worte von ihrer Seite her, er wusste auch so, was in ihr vor sich ging. Und wie sehr er ihr gefehlt hatte. Er kannte sie besser, als sie sich selbst.
Dennoch, drei Stunden später schlich Lena den Weg zum Galgenhügel mit äußerst gemischten Gefühlen hoch. Der Vollmond kroch gerade über den Rand des Horizonts und mit jeder Minute die verging, wurde es heller.
Wie riesige stumme Wächter säumten die knorrigen, monströsen Eichen den Gipfel und schienen sie erwartet zu haben. Fast wie alte Bekannte. Ebenso, wie die reglose, finstere Gestalt in ihrem Schatten ihrer harrte.
Lena wartete, bis die Scheibe des Mondes den Horizont erobert hatte, dann trat sie mit anmutigen, kleinen Schritten vor Tomm hin und sank auf die Knie. Innerlich zitternd und an ihrer Angst vor dem Kommenden nagend. Und doch gleichzeitig pulsierend vor Erwartung und Aufregung.
Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, schmiegte sie ihre Wange an seinen nackten Fuß und präsentierte ihm so ihr zittriges Vertrauen und ihre Hingabe als sein Geschöpf, wie ein unendlich kostbares Geschenk.
„Ach Lena!“ kam es rau von ihm, mit bewegter Stimme. „Du ahnst nicht, wie sehr es mich freut, dich erneut an diesem Platz und in dieser Position zu sehen! Ich hatte wirklich meine Zweifel, ob du es schaffen würdest!“
Während sich auch diese Worte noch wie Balsam um ihr Herz legten, knurrte er plötzlich tief und grollend. Sie schrie auf, als er sie ohne Vorwarnung an ihren Haaren hochriss, wieder in aufrechte Stellung.
„Und doch – egal, wie sehr es mich freut, ich werde dich nicht schonen und kein Mitleid mit dir haben! Ich werde dir nichts erlassen und nichts schenken von der Prüfung! Wenn wir den Weg, der vorher bestimmt ist, weitergehen wollen – dann darf ich einfach keine Gnade walten lassen!“
Er starrte ihr ins Gesicht, in die Augen … Augen, die vor Angst so dunkel waren wie der Schatten, in dem er sich verbarg. Und doch brachte sie die Kraft auf, ihn anzulächeln. Voller Zuversicht
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