Lennox 01 - Lennox
steckte das Foto zurück in meine Brieftasche. »Hatten Sie je die McGahern-Brüder hier?«
»Gott bewahre, nein ...« Er lachte. Theatralisch. »Solche ungehobelten Angeber würden mein Etablissement niemals betreten. Das würde ich gar nicht erlauben.«
»Wissen Sie etwas über ein unabhängiges Bordell, wo die McGaherns für die Sicherheit sorgten? Irgendwo im West End?«
»Dazu kann ich kaum etwas sagen«, antwortete Parks. »Ich habe davon gehört ... eine mögliche Konkurrenz, Sie wissen schon. Aber dieses Etablissement hielt sich offenbar nicht lange, und soweit ich sagen kann, hat es mir keine Kundschaft abspenstig gemacht. Wie auch immer, es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.« Er machte eine Kopfbewegung zu der älteren Prostituierten auf dem Sofa. »Möchten Sie mit Lena ein nettes Stündchen verbringen? Geht aufs Haus.«
Die entfernt aristokratisch aussehende Lena reagierte darauf, indem sie den Kopf zurückneigte und die roten Lippen provokant öffnete. Offenbar hatten wir beide denselben Rita-Hayworth-Film gesehen.
»Nein, danke«, sagte ich, obwohl ich Lena durchaus attraktiv fand. »Ich schlafe nicht mit Nutten. Und auf Tunten stehe ich auch nicht.«
Am nächsten Morgen versuchte eine Frühlingssonne durch die Wolken zu brechen, doch ein schlechtgelauntes frühmorgendliches Glasgow sagte ihr, sie solle sich verpissen, und hüllte sie in Fabrikschornsteinrauch. Ich frühstückte in einem Fernfahrerimbiss an der Dumbarton Road, bevor ich gegen halb neun nach Bearsden fuhr. In der Gegenrichtung herrschte ständiger Pendlerverkehr und demonstrierte, dass die Mehrheit der Privatwagen Glasgows die Nacht in den lauschigen Auffahrten von Bearsden verbrachte.
Ich parkte am Andrews’schen Anwesen um die Ecke und lungerte so unauffällig auf der Straße herum, wie ich konnte, bis ich sah, wie John Andrews’ Bentley aus der Auffahrt glitt, so leise wie Wasser, das über Kiesel strömt.
Lillian Andrews öffnete die Haustür und zeigte dabei das ausdruckslose Gesicht eines Menschen, der damit rechnet, den Briefträger vor sich stehen zu sehen. Sie trug einen pastellblauen Sweater mit einer doppelten Perlenreihe dicht unter dem Hals, eine dunkelblaue Caprihose und Pantoffeln mit niedrigen Absätzen. Die Kleidung war ziemlich konservativ; trotzdem strahlte Lillian mehr Sexappeal aus als die meisten Frauen, wenn sie nichts als Dessous tragen. Ganz kurz flackerte es in ihren Augen, als sie mich erkannte, doch sie hatte sich sofort wieder im Griff. Sie war gut. Sehr gut.
»Ja?«, fragte sie desinteressiert. Im ersten Moment hätte sie mich fast überzeugt, dass wir einander noch nie begegnet wären.
»Wie schön, Sie wiederzusehen, Mrs. Andrews. Ich freue mich sagen zu können, dass der Nebel sich gelichtet hat.«
»Tut mir leid«, sagte sie und wollte die Tür schließen. »Ich kaufe nichts an der Haustür.«
Gerade noch rechtzeitig schob ich meinen Fuß in den Spalt und drückte mit der Schulter so fest gegen die Tür, dass sie Lillian fast zu Boden geschleudert hätte. Wir standen gerade innerhalb der Schwelle, und in ihren dunklen Augen brannte der Hass.
»Raus mit Ihnen! Sofort!«
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Mrs. Andrews.«
»Worüber?« Sie wich zum Garderobenständer zurück und nahm den Hörer vom elfenbeinfarbenen Telefon. »Wenn Sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei.«
»Das könnten Sie natürlich tun«, sagte ich und nahm den Hut ab. »Andererseits kennt die Polizei mich. Dort weiß man, dass meine Informationen sehr zuverlässig sind.« Grinsend dachte ich daran, wie sehr der rotwangige Bauernlümmel sich abgerackert hatte, damit dem auch wirklich so war. »Ich bin sicher, die Polizei würde sich sehr dafür interessieren, warum Ihr Mann solche Angst hat und warum Sie mir neulich abends im Nebel einen Hinterhalt gelegt haben.«
»Sie kennen meinen Mann?« Sie legte den Hörer auf.
»Das wussten Sie neulich noch nicht, was? Ich weiß alles über Ihren kleinen Zaubertrick, erst zu verschwinden und dann plötzlich wieder aufzutauchen.«
»Was wollen Sie?«
»Ich würde gerne wissen, warum Sie mich niederschlagen ließen und wer mir den neuen Scheitel gezogen hat.«
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Ich habe Sie in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.«
»Kommen Sie mir nicht auf die Tour, Lillian.« Ich schloss hinter mir die Haustür. »Irgendwo stinkt es hier ganz gewaltig. Wenn Sie mir nicht sagen, was los ist, rede ich vielleicht mit Ihrem
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