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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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begriff ich, dass Jeannie noch immer neben mir saß. Sie starrte mich an, die Augen weit aufgerissen, der Mund schlaff vor Entsetzen.
    »Steig aus«, sagte ich so sanft ich konnte. »Ich muss den Kerl einholen. Es geht ums Geschäft.«
    Sie saß wie gelähmt da. Ich griff hinüber, öffnete die Tür und gab ihr einen leichten Stoß Richtung Straße. »Raus! Schnell!« Sie stieg wortlos aus dem Wagen und stand auf dem Bürgersteig, wobei ihr die Kinnlade noch immer bis auf die Brust hing. »Tut mir leid, Jeannie. Ich ruf dich an.«
    Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und jagte den Atlantic die Broomielaw entlang in Richtung Paddy’s Market. Der Austin war nirgendwo zu sehen, aber ich wusste, dass ich wieder zu ihm aufschließen konnte, wenn ich die richtigen Entscheidungen traf. Der Fahrer hatte entweder den Rückweg zur Stadt in Richtung Glasgow Cross eingeschlagen oder den Clyde zur South Side überquert. Ich setzte mein Geld auf die South Side: In der Innenstadt war das Risiko größer, irgendwo aufgehalten zu werden, und dann hätte ich den Kerl.
    Ich bog auf die Albert Bridge ab. Auf der Crown Street war kein einziges Fahrzeug. Von hier aus konnte er die Carlisle Road genommen haben oder zurück nach Govan und zur Paisley Road gefahren sein. Oder er war sogar in die Gorbals verschwunden, aber das wäre ein schlechter Schachzug gewesen; es ist für jedermann zu jeder Zeit und aus jedem Grund ein schlechter Zug, in die Gorbals zu fahren. Und mit seinem Austin 16 wäre er in den Gorbals ungefähr so unauffällig gewesen wie ein Kardinal auf einem Treffen des Oranierordens.
    Aus einem Gefühl heraus fuhr ich nach Govan und folgte der Paisley Road nach Westen. Erneut fuhr ich so schnell, wie ich es wagte, doch den Austin 16 bekam ich nicht mehr zu Gesicht.
    Unter der Eisenbahnbrücke blieb ich stehen, stellte den Motor ab und kurbelte das Fenster herunter. Auf der Straße war es still, nur eine Straßenbahn auf dem Weg von Paisley nach Maryhill ratterte an mir vorbei. Von einem zerfetzten Plakat grinsten mich Sam Costa und sein absurder Schnurrbart geistlos an und rieten mir zu Rasierschaum von Erasmic. Die Abendluft wirkte so rau wie der kalte schmierige Ruß auf den Stahlbögen der Brücke.
    Der Kerl war weg. Nachdem ich ihn aus den Augen verloren hatte, hatte er ein Dutzend verschiedene Richtungen nehmen können. Ich dachte an Jeannie und fühlte mich wie der letzte Dreck, was gewöhnlich immer der Fall war, wenn ich daran dachte, wie ich mit Frauen umsprang.
    In Glasgow gab es Jeannies zu Tausenden: unkomplizierte Mädchen, die ein beschissenes Leben führten und darauf hofften, in den Tanzdielen und Kinopalästen einen Hauch von Glamour zu erhaschen. Sie wollten nichts weiter als ein paar Augenblicke, in denen sie sich einreden konnten, sie würden am Ende doch nicht die trostlose Plackerei in der Fabrik oder in einem Laden gegen die trostlose Plackerei für einen Mann eintauschen, der ihnen wenig Zuneigung zeigte, ihnen keinen Respekt erwies und ihnen eine Kohorte Kinder machte, um die sie sich dann kümmern mussten, während die Monotonie der tristen Wochen nur vom lieblosen whiskyseligen Gefummel am Samstagabend unterbrochen wurde. Oder vielleicht auch hin und wieder von einer Tracht Prügel.
    Ich dachte an die arme Jeannie und die kargen Träume und Sehnsüchte, die sie vielleicht hatte, und es tat mir leid, sie aus dem Wagen geworfen zu haben. Dann fiel mir ein, wie sie mich an Edward G. Robinson erinnert hatte, und ich musste lachen, als ich den Zündschlüssel drehte.
    Den Austin 16 hatte ich verloren, so viel stand fest, aber ich beschloss, für alle Fälle auf dem gleichen Weg am Flussufer entlang zurückzufahren. Es gab dort Winkel und Spalten zu Hunderten, Gasseneinmündungen und Höfe, auf denen man sich verstecken konnte. Aber eigentlich war ich überzeugt, dass der Fahrer des Austin meinen kurzen Stopp genutzt hatte, um so viel Entfernung zwischen uns zu legen wie möglich.
    Wenn Glasgow das industrielle Herz des Empire war, bildete der Clyde seine Hauptschlagader. Ich fuhr an Mavisbank Quay vorüber, an Terminus Quay mit seinen Eisenbahngleisen und schließlich am Kingston Dock. Über dem glatten tintenschwarzen Wasser des Clyde schwebten grelle weiße Lichter.
    Selbst zu dieser späten Stunde und so weit innerhalb der Stadt wimmelte es auf dem Fluss von Schleppern, Booten und Lastkähnen, und ich sah hier und da Funkenregen, wo irgendeine Nachtschicht Stahl schweißte.
    Ich entdeckte

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