Lennox 01 - Lennox
dachte ich. Seine Stimme war feucht, die Wörter in seinem halben Mund zerkaut. Wie ich der Schwester gegenüber bemerkt hatte, habe ich einiges gesehen, aber Pattisons Anblick verursachte mir Übelkeit. Ich zwang mich zu einem Lächeln und tröstete mich damit, dass selbst mein halbherziges Lächeln doppelt so gut war wie alles, was Pattison jemals zustande bringen würde.
»Die Schwester sagt«, fuhr Pattinson fort, »Sie kennen Tam.«
»Wir sind uns über den Weg gelaufen«, sagte ich. Ich erkannte, dass Pattison noch nichts von McGaherns Tod wusste, und beschloss, ihm den Mord vorerst zu verschweigen. Mal sehen, wie das Gespräch verlief. Das arme Schwein hatte schon genug am Hals.
»In welcher Einheit waren Sie?«, fragte Pattison. Mir fiel auf, dass seine rechte Körperhälfte schlaff war. Gelähmt, vermutete ich.
»Kanadische Erste Armee. Italien, Holland und Deutschland.«
»Woher kannten Sie dann Tam?« Aus Pattisons Frage klang kein Misstrauen; andererseits sind Nuancen schwierig herauszuhören, wenn man nur noch eine halbe Zunge und sechzehn Zähne hat.
»Das ist eine lange Geschichte. Sie kannten ihn von Gideon?«
»Schon vorher. Tam war mein Sergeant. Er hat mir die Haut öfter gerettet, als ich zählen kann.«
»Und das ...« Ich wies unbeholfen auf den Rollstuhl.
»Ach ... das kam, nachdem Tam nach Hause gefahren war. Mein eigener dämlicher Fehler. Hab den großen Macker gespielt. Bin nicht schnell genug in Deckung gegangen.«
»Was für ein Mensch war Tam? Damals, meine ich. Um ehrlich zu sein, ich habe ihn erst gegen Kriegsende kennengelernt.«
»Der Beste. Der absolut Beste. Unsere Einheit hatte diesen Offizier – wirklich gut für einen Offizier, und man musste zäh sein bei Gideon, auch als Offizier. Aber er war ein echter Theoretiker. Es war Tam, den man sich als Befehlshaber wünschte, wenn die Brocken herumflogen. Waren Sie auch Unteroffizier?«
»Nein. Offizier. Captain.«
»Oh, verzeihen Sie, Sir. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Was Offiziere angeht, meine ich.«
»Sie haben mich nicht beleidigt, Billy. Ich bin selber auf genügend Wichser mit Sternen auf den Schultern gestoßen. Außerdem bin ich jetzt kein Offizier mehr.« Ich zog mir einen Stuhl vor seinen Rollstuhl und setzte mich. »Sie und Tam waren bei Gideon oft genug im Gefecht, nehme ich an?«
»Aber ja. Wir waren immer mittendrin. Unsere Einheit bestand hauptsächlich aus Juden und ein paar Sudanesen. Gegen keinen lässt sich irgendwas sagen. Ich habe viel gelernt, als ich da draußen war. Zähe Mistkerle, besonders die Juden. Sie hatten jahrelang gegen die Araber gekämpft. Wenn hart ausgeteilt werden sollte, ließen sie sich nie lange bitten. Jetzt haben sie natürlich ihr eigenes Land. Gott steh dem armen Bastard bei, der versucht, es ihnen wieder wegzunehmen.«
»Die Juden in Ihrer Einheit ... Tam hat mir erzählt, dass ein paar von ihnen früher bei den Special Night Squads waren.«
»Ja, das stimmt. Die meisten, wenn nicht sogar alle. Sie hatten schon vor dem Krieg viel gekämpft. Arabische Widerstandsgruppen ausgelöscht. Die Ölleitung aus dem Irak geschützt, solche Sachen. Wirklich harte Hunde. Und sie haben die Deutschen gehasst. Viele Gefangene haben wir nicht gemacht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Trotzdem waren diese jüdischen Burschen wirklich lustig. Tam ist gut mit ihnen zurechtgekommen. Er hat sich für so etwas interessiert. Sie wissen schon, Geschichte und alles Mögliche über den Nahen Osten. Deshalb ist er so gut mit unserem Offizier zurechtgekommen. Der war vor dem Krieg Journalist gewesen oder so etwas. Korrespondent, so nennt man sie, glaube ich. Der Nahe Osten war sein Spezialgebiet.«
»Wissen Sie, ob Tam Kontakt zu irgendwelchen anderen Mitgliedern Ihrer Einheit gehalten hat?«
»Ich nehme es an. Er hat mich besucht. Wussten Sie nicht, dass es Tam war, der mein Gesicht in Ordnung bringen ließ?«
Einen Augenblick lang war ich fassungslos. Dann tat ich mein Bestes, um mir den Ausdruck vom Gesicht zu wischen, der besagte: Das soll in Ordnung sein? Stattdessen fragte ich: »Haben Sie seit Kriegsende von Tam gehört?«
»Oh ja. Er hat mich vier-, fünfmal besucht. Zu Anfang musste ich auf dem Gesicht einen Verband tragen. Monatelang. Die Wunde wollte einfach nicht heilen, und es bestand immer die Gefahr, dass sie sich entzündet. Sie haben versucht, mir einen Termin bei einem Chirurgen zu verschaffen, der es in Ordnung bringen konnte, aber der Mann war stets ausgebucht. Tam hat
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