Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
Finden Sie heraus, was Sie wissen müssen, ohne dass er sich aufregt. Twinkle und Tiny lassen Sie draußen. Und gehen Sie nicht mehr heute Abend hin. Da herrscht jetzt Hochbetrieb. Parky schließt zwischen sieben Uhr morgens und drei Uhr nachmittags. Ich rufe ihn an und sag ihm Bescheid, dass Sie morgen früh kommen und seinen Hässlichkeitsschlaf stören. Ich werde ihm raten, mit Sie zusammenzuarbeiten. Mehr sollten Sie nicht brauchen.«
    Ich gab ihm recht und legte auf. Besonders glücklich war ich mit diesem Arrangement nicht. Ob Parks mit in der Sache steckte oder nicht – mein Instinkt sagte mir, dass er ohne Druck niemals alles ausplaudern würde, was er wusste. Und Druck auszuüben hatte Sneddon mir gerade verboten.
     
    Bei ausgeschaltetem Licht lag ich auf dem Bett und rauchte. Mir ging alles Mögliche durch den Kopf, summte darin herum wie Bienen in einem Glas. Immer wieder dachte ich daran, was May gesagt hatte, an die Verzweiflung, mit der sie es ausgesprochen hatte. Ich dachte an Lillian Andrews und an ihr dunkles Haar und ihre langen Beine. Dann musste ich aus irgendeinem unerklärlichen Grund an Helena Gersons denken, die wie ein schöner Vogel in einem Käfig aus georgianischer Architektur saß. Uns hatte einmal etwas verbunden. Doch auf unsere eigene Weise waren wir beide derart verkorkst gewesen, dass wir nicht wollten, dass Gefühle im Spiel waren. Aber nicht deshalb dachte ich an Helena. Ich dachte an sie, weil sie der nächste Name auf der Liste wäre, falls nicht Arthur Parks die Kunden zu dem Bordell im West End geschickt hatte. Und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass wir einander belogen hätten. Aber vor allem hielten Mays Worte mich wach.
     
    Ich frühstückte in einem Café auf der Byres Road, ehe ich nach Park Circus aufbrach. Der Regen machte eine Pause, und die Sonne versuchte einzuspringen, doch Glasgow erbrach ihr seinen Frühmorgenrauch ins Gesicht. Ich saß am Fenster des Cafés, aß Speck mit Eiern und beobachtete, wie die Welt vorbeizog: Ein älterer Mann mit schlimmerer Rachitis als der Gehilfe im Leichenhaus watschelte vorbei. Er war nicht mal eins fünfzig groß, doch ich fragte mich müßig, ob er aufgerichtet nicht doch eins achtzig gemessen hätte. Er blieb stehen, beugte sich vor, drückte den Daumen auf ein Nasenloch und entleerte den Inhalt des anderen mit einem lauten Schnauben aufs Pflaster. Ein Ausfahrer hielt mit Zugpferd und Wagen vor dem Café und versperrte mir die Sicht auf das kosmopolitische Straßenleben von Glasgow. Der Clydesdale zuckte mit dem Schweif und ließ Pferdeäpfel aufs Pflaster fallen; sie dampften im kalten Morgenlicht. Ich sprach ein kurzes Dankgebet, nicht irgendwo gelandet zu sein, wo es weniger kultiviert zuging, in Paris oder Rom zum Beispiel.
    Die alten Griechen waren groß darin, Vorzeichen zu deuten. Ich hätte in den Pferdeäpfeln des Clydesdales lesen sollen: Es hätte mich vor einem höllischen Tag bewahrt.
    Ich ging auf der Great Western Road zurück und kam in die konzentrischen Kreise von Park Circus. Als ich Parks’ Haus erreichte, waren an sämtlichen Fenstern die Vorhänge zugezogen. Kein stiernackiger Türsteher stand Wache, und das glänzende Dunkelrot der georgianischen vertäfelten Tür erweckte zusammen mit dem rußgeschwärzten Mauerwerk den Eindruck, vor dem Hintereingang zur Hölle zu stehen. Oder am Hintereingang zur Hölle während der Teepause. Ich zog am Klingelzug und pochte mit dem verzierten Türklopfer gegen das Holz. Nach ein paar Minuten war klar, dass mir niemand öffnen würde. Doch wenn Willie Sneddon einem sagte, dass man jemanden erwarten solle, stand man Gewehr bei Fuß. Mich beschlich ein ungutes Gefühl, dass niemand zu Hause war.
    Das Komische an der Bruderschaft der Verbrecher ist, wie ihre Mitglieder im Allgemeinen völlig darauf vertrauen, dass alle anderen sich ans Gesetz halten. Ich stieg die Stufen zum Keller hinunter und fand ein Fenster mit unverriegeltem Schieberahmen. Durch das Fenster gelangte ich in ein kleines Schlafzimmer, oder eher ein Zimmer mit einem Bett: Ich hatte den Eindruck, dass hier nicht sonderlich viel geschlafen wurde. Die Mauern bedeckte eine rot-schwarze Tapete in Paisleymuster, und an einer Wand hing ein großer Spiegel mit Goldrahmen, in dem man das Bett sehen konnte. Romantisch. Im Kellergeschoss waren noch zwei weitere Zimmer, ein Flur und die Treppe, die hinauf zu den richtigen Wohnungen führte. Ich erkannte das Wartezimmer wieder, in dem ich mit Parks

Weitere Kostenlose Bücher