Lennox 02 - Lennox Rückkehr
werde sehen, was ich tun kann. Aber nicht umsonst, Lennox. Irgendwann brauche ich vielleicht etwas von Ihnen.«
»Wird mir ein Vergnügen sein.« Ich lächelte und bestellte uns zwei Pasteten. Sie wurden uns auf schmucklosen weißen Tellern serviert, die unter der Glasur von krakeligen grauen Rissen durchzogen waren. Sie sahen aus, als wären sie aus dem gleichen Porzellan, aus dem man Urinale herstellt. Die Pasteten lagen auf etwas, das die Franzosen als Jus aus verflüssigtem Fett bezeichnet hätten. Seit meiner Ankunft in Glasgow hatte ich einiges an Gewicht verloren.
Ferguson schien die Servierkunst nichts auszumachen. Er biss herzhaft in die Pastete und tupfte sich mit der Papierserviette das Fett vom Kinn. »War das alles?«
»Ja«, sagte ich und trank von meinem Whisky. »Ich glaube, der alte Soutar konnte ganz gut mit einem Rasiermesser umgehen. Bridgeton Billy Boys, so etwas. Egal was Sie herausfinden, wahrscheinlich ist es für mich nützlich.«
»Ich kann sogar noch mehr.« Er griff in die Jacketttasche und holte ein Notizbuch, das nicht von der Materialausgabe stammte, und einen Bleistift hervor. Er kritzelte etwas hinein, riss die Seite heraus und gab sie mir. »Das ist die Adresse von Jimmy MacSherry. Er ist heute ein alter Mann, aber in den Zwanzigern und Dreißigern war er ein wirklich harter Hurensohn. Hat gegen Sillitoes Kosaken gekämpft und mehrere Polizisten ins Krankenhaus gebracht. Bekam zehn Jahre und Schläge mit der Birkenrute. Jimmy war ein Billy Boy und kennt jeden, der in diesen Kreisen etwas gegolten hat. Aber seien Sie vorsichtig bei ihm. Und ein paar Mäuse wird es Sie auch kosten.«
»Danke, Jock. Ich weiß das zu schätzen.« Ich steckte den Zettel ein. In diesem Augenblick kam mir ein Gedanke. »Ach, vielleicht ist da doch noch etwas. Niemand scheint den Kerl zu kennen, aber einen Versuch ist es ja wert. Haben Sie schon mal von einem Kerl namens Largo gehört?«
Wie ich schon sagte, hatte Jock Ferguson kein besonders ausdrucksstarkes Mienenspiel, doch jetzt lief ihm etwas durchs Gesicht, das aussah, als bezöge es seine Energie direkt aus dem nationalen Stromnetz.
»Was wissen Sie über John Largo?«
»Nichts. Absolut nichts, deshalb frage ich ja. Wer ist der Mann?«
»Wo haben Sie den Namen gehört? Sie müssen den Namen doch irgendwo gehört haben.«
Ich sah Ferguson an. Er hatte sich mir zugewandt und von der Theke aufgerichtet. Plötzlich war er ganz Bulle und null Bekannter. Nach all meinem Herumfragen hatte ich binnen einer Sekunde mein Wissen über Largo verdoppelt: Jetzt kannte ich seinen vollen Namen. Dafür klingelte jede Alarmglocke, die nur klingeln konnte. Ganz eindeutig reichte allein der Umstand, dass ich den Namen John Largo kannte, schon aus, um mir die polizeiliche Aufmerksamkeit zu sichern, die ich um jeden Preis vermeiden wollte. Ich sagte mir, dass es am besten sei, wenn ich auspacke.
»Okay, Jock, ich kann sehen, dass ich auf etwas gestoßen bin. Sie glauben aber offensichtlich, dass ich etwas wüsste, von dem ich nichts wissen sollte. Nun, ich weiß es wirklich nicht. Ich kannte nur den Namen Largo. Ich ermittle in einem Vermisstenfall. Wie sich herausstellt, sind es zwei Vermisste: Paul Costello, Jimmy Costellos Sohn, ist ebenfalls verschwunden. Aber vorher sind wir uns über den Weg gelaufen. Zuerst glaubte er, ich gehöre zu Ihrem Haufen, dann fragte er mich, ob Largo mich geschickt hätte. Mehr weiß ich nicht. Ich habe mich in der ganzen Stadt nach diesem Largo umgehört, aber niemand, den ich gefragt habe, kennt ihn. Bis jetzt. Also, wer ist John Largo?«
»Jetzt passen Sie mal auf. Hören Sie genau zu. Was Sie gerade gefragt haben ... an Ihrer Stelle würde ich diese Frage nie wieder stellen. John Largo ist ein Mann, über den Sie nichts wissen wollen . Wenn ich Ihnen je etwas gesagt habe, das Sie beherzigen sollten, Lennox, dann das: John Largo existiert nicht. Akzeptieren Sie das und leben Sie weiter. Andernfalls klappt das mit dem Weiterleben vielleicht nicht mehr ganz so gut.«
»Immer hübsch langsam, Jock. Sie können doch nicht ...«
»Ich muss gehen. Ich werde zusehen, dass ich für Sie etwas über Soutar in Erfahrung bringe. Versuchen Sie es inzwischen bei Jimmy MacSherry.«
Ehe ich etwas entgegnen konnte, war er fort. Ich lehnte mich über die Theke, sah das halb volle Whiskyglas, das er zurückgelassen hatte, und wusste, dass es eine große, eine ganz große Sache war: Wenn ein Schotte einen kostenlosen Drink nicht bis zum
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