Lensmen 01 - Die Planetenbasis
schien, herrschte eine angenehme Gravitation.
Nachdem man ihnen die Pistolen und andere Gegenstände abgenommen hatte, die die Nevianer für Waffen halten mochten, wurden sie aus der Lähmung befreit. Die hautenge Kleidung der Gefangenen erregte bei den Nevianern große Neugier, doch als sich die Menschen einer weiteren Entkleidung energisch widersetzten, bestanden die Unbekannten zunächst nicht auf ihrer Absicht.
In der Zentrale des fremdartigen Schiffs standen sich nun die Vertreter zweier verschiedener Sonnensysteme gegenüber. Die Nevianer betrachteten die Menschen mit Interesse und Neugier, gepaart mit Widerwillen; die drei Menschen starrten voller Ekel in die ausdruckslosen ›Gesichter‹ der Fremden. Für menschliche Augen ist jeder Nevianer furchteinflößend. Auch heute gibt es nur wenige, die einem Nevianer ins Gesicht blicken können, ohne ein seltsames Kribbeln zu verspüren. Die hornbewehrten Marsianer, die wir alle kennen und mögen, sind ungewöhnliche Wesen, ebenso wie die haut- und haarlosen Venusianer – doch beide Rassen gehören, wenn auch entfernt, der menschlichen Familie an, und wir kommen recht gut mit ihnen aus, wenn wir Mars oder Venus besuchen. Aber die Nevianer ...
Der horizontale Fischkörper auf seinen vier geschuppten Beinen ist noch nicht das Schlimmste, auch nicht der kurze und gedrungene Hals oder gar der Geruch, der dem Gestank faulender Fische gleichkommt. Nein, es ist der Kopf, der den Nevianer für menschliche Augen so unerträglich macht, denn er findet in der Biologie unseres Sonnensystems nicht seinesgleichen. Er ist ein massiver Kegel auf einem gedrungenen Nacken, unterbrochen von vier grünen dreieckigen Augen. Darunter entspringen vier lange Tentakelarme, die in jeweils acht empfindsamen, aber starken ›Fingern‹ auslaufen. Unter den Armen liegen kleine, gefährlich aussehende Mundöffnungen, die von einem Kranz nadelspitzer Stacheln umgeben sind. Und darunter befinden sich die empfindlichen Organe, die dem Nevianer wahlweise als Kiemen oder Lungen dienen. Für die Amphibienwesen ist das Mienenspiel dieses ›Gesichts‹ höchst ausdrucksvoll; menschlichen Augen bleiben diese Feinheiten fremd.
Aber wenn wir die Nevianer für grotesk und ekelerregend halten, so beruht dieser gefühlsmäßige Widerwille durchaus auf Gegenseitigkeit. Denn jene Ungeheuer sind eine sehr intelligente und empfindsame Rasse, für die unsere schlanken und grazilen Körper die Quintessenz der Häßlichkeit darstellen.
»Um Himmels willen, Conway«, rief Clio und flüchtete sich in die Arme Costigans. »Was für entsetzliche Ungeheuer! Und sie können nicht einmal reden – ich habe noch kein Wort von ihnen gehört! Sie sind doch nicht etwa taub und stumm?«
Im gleichen Augenblick wandte sich Nerado an seine Artgenossen:
»Was für entsetzliche Wesen! Sie gehören zweifellos einer niedrigen Lebensform an, obwohl sie offenbar eine gewisse Intelligenz besitzen. Sie können nicht sprechen und haben sich auch nicht anmerken lassen, ob sie unsere Worte gehört haben. Glauben Sie, daß sie sich durch Zeichen verständigen, daß diese seltsamen Verrenkungen ihrer Glieder vielleicht eine Art Sprache ist?«
So waren beide Seiten ahnungslos. Nevianer und Menschen wußten nicht, daß die Stimmen der Amphibienwesen einen Schwingungsbereich haben, der von menschlichen Ohren nicht erfaßt werden kann. Der höchste Ton einer Pikkolo-Flöte ist für einen Nevianer so tief, daß er ihn nicht zu hören vermag.
»Wir haben viel zu tun«, wandte sich Nerado an seine Artgenossen. »Wir müssen das Studium der Wesen zurückstellen, bis wir uns um die kostbare Fracht gekümmert haben, die es hier im Überfluß gibt.«
»Was sollen wir mit ihnen machen?« fragte ein nevianischer Offizier. »Sollen wir sie in einem der Lagerräume einschließen?«
»Nein! Das wäre zu gefährlich. Wir müssen sie vorsichtig behandeln und dafür sorgen, daß sie am Leben und bei guter Gesundheit bleiben, damit wir sie bei unserer Rückkehr den Wissenschaftlern Nevias übergeben können. Wir sollten ihnen einige Aufenthaltsräume zuweisen – Sektion Vier –, da werden sie Platz und vor allen Dingen Licht haben. Es müssen natürlich alle Außentüren verschlossen sein, aber innerhalb ihres Bereiches sollten sie sich frei bewegen dürfen. Das kleine Wesen dort, offensichtlich ein Weibchen, hält sich sehr nahe bei einem der Männchen. Vielleicht gehören die beiden irgendwie zusammen. Da wir ihre Sitten natürlich nicht kennen,
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