Leo Berlin
Walther ihm schon entgegen. »Wir haben seine Abdrücke in
der Kartei.«
»Zeig mal her.«
Tatsächlich, die Fingerabdrücke, der Name, die Anschrift.
Verhaftet während einer Razzia in der »Flotte«, bei der
die Polizei größere Mengen Kokain sichergestellt hatte. Auch
Sartorius hatte etwas bei sich gehabt. Handel mit dem Rauschgift konnte
man ihm allerdings nicht nachweisen, daher hatte es kein Verfahren gegen
ihn gegeben.
»Das passt zu dem, was
Frau Moll mir erzählt hat. Ein Kollege war vor einer Weile bei
Sartorius und hat ihn wegen Kokain verhört. Frag mal bei den
Rauschgiftleuten nach, ich fahre zu Frau Cramer.« An der Tür
drehte er sich noch einmal um. »Ist schon was vom Leichendoktor
gekommen?«
Walther schüttelte den
Kopf.
Leo Wechsler steuerte den
Wagen Richtung Grunewald. An den baumbestandenen Straßen reihten
sich Villengrundstücke aneinander wie kostbare Perlen. Elegante Häuser
mit Buntglasfenstern, edlen Holztüren und griechischen Säulen,
umgeben von gepflegten oder verwunschenen Gärten, zogen an ihm
vorbei. Er kam selten in diese Gegend und dachte flüchtig, wie wohl
die Kinder in diesen Häusern aufwachsen mochten, inmitten von
Reichtum, Schönheit und Dienstboten, die ihnen jeden Wunsch von den
Augen ablasen. Dann erinnerte er sich daran, dass es auch hier Skandale
und Familientragödien gab.
Er hielt vor einer zartgelben
Villa, die über und über mit violetten Clematis berankt war. Am
Tor war ein kleines Messingschild angebracht. Er ging durch den Vorgarten
und betätigte den blankpolierten Türklopfer in Form eines Löwenkopfes.
Ein Hausmädchen in
schwarzem Kleid und weißem Häubchen öffnete die Tür
und fragte: »Ja, bitte?«
Leo zeigte seine Dienstmarke
und stellte sich vor. »Ich möchte Frau Cramer sprechen.«
»Kommen Sie bitte mit.«
Das Hausmädchen beherrschte ihre Gesichtszüge perfekt, doch er
fragte sich, wie es in diesem Moment in ihrem Gehirn arbeiten mochte. Die
Kriminalpolizei bei der gnädigen Frau!
Sie führte ihn in den
Salon. Ellen Cramer trug ein violettes Seidenkleid mit tief angesetzter
Taille und als einzigen Schmuck eine dezente Perlenkette. Als Leo gemeldet
wurde, sprang sie auf und deutete auf die ›BZ am Mittag‹,
die neben ihr auf dem Sofa lag. »Es steht schon drin. Sind Sie
deswegen hier?«, fragte sie atemlos.
»Ja, Frau Cramer, bitte
beruhigen Sie sich. Wir müssen die letzten Stunden des Opfers
rekonstruieren und mit allen Personen sprechen, die in dieser Zeit mit
Herrn Sartorius zusammen waren.«
Ellen Cramer hatte sich
gefasst. »Adele, bringen Sie uns bitte Tee.« Das Hausmädchen
knickste und verschwand.
Sie bot ihm einen Platz in
einem eleganten Sessel an und setzte sich gegenüber aufs Sofa. Dann
beugte sie sich erwartungsvoll vor. »Bitte stellen Sie Ihre Fragen,
Herr Kommissar.«
Leo versuchte sie einzuschätzen.
Eine gutaussehende, nicht mehr ganz junge Frau, elegant und ungeheuer
gepflegt. Makellos. Was mochte sie bei dem Heiler gesucht haben? »Warum
waren Sie bei Herrn Sartorius in Behandlung?«
»Ich leide seit längerem
unter Migräneanfällen, die mein Wohlbefinden stark beeinträchtigen.
Ich habe viele Ärzte aufgesucht, doch niemand konnte mir helfen. Eine
Freundin empfahl mir Herrn Gabriel Sartorius, der als erfolgreicher Heiler
galt.«
»Und welche Erfahrungen
haben Sie mit ihm gemacht?«
»Ich war erst viermal
bei ihm. Aber ich meine schon eine gewisse Linderung zu spüren.«
»Darf ich fragen, wie
er Sie behandelt hat?«
Sie errötete leicht, als
wäre ihr die Frage etwas peinlich. »Nun ja, mit Edelsteinen. Er
schöpfte Kraft aus ihnen und konnte sie dann auf mich übertragen.«
»Und wie machte er das?«,
fragte Leo mit aufrichtigem Interesse. Er sammelte ungewöhnliche
Informationen wie andere Menschen Briefmarken.
»Er . . . er ordnete
sie zu einem Muster an und hielt die Hände darüber, dann
konzentrierte er sich ganz stark und schien sich irgendwie zu verändern.
Er strahlte etwas aus. Dann berührte er sanft meinen Kopf. Ich habe
wirklich etwas gespürt.« Es klang, als wollte sie sich
verteidigen, doch Leo winkte ab.
»Ich bin nicht hier, um
über Ihr Vertrauen in Herrn Sartorius zu urteilen. Ich habe einen
Mord zu untersuchen. Haben Sie bei Ihren Besuchen irgendwo einen Buddha
aus Jade bemerkt?«
Sie nickte. »So einer
stand immer auf dem Tischchen neben dem
Weitere Kostenlose Bücher