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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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hinschauen.«
    Sie nickte. »Grosz hat
     es gegen Ende des Krieges gemalt. Als hätte er vorausgesehen, welches
     Chaos auf den Straßen losbrechen würde.«
    Leo konnte sich nur mit Mühe
     von den Bildern losreißen. »Frau Reichwein, ich möchte
     Ihnen, wie gesagt, einige Fragen über Gabriel Sartorius stellen.«
    Mit einer Handbewegung bot
     sie ihm einen Platz in einem schlichten hölzernen Sessel mit weißem
     Sitzkissen an. Sie selbst blieb an einem der hohen Fenster stehen und
     schnippte die Zigarettenasche in einen kleinen Aschenbecher aus Onyx.
    »Woher kannten Sie
     Herrn Sartorius?«
    »Ich habe ihn auf einer
     Vernissage kennen gelernt. Wir kamen ins Gespräch, er erzählte
     von seiner Arbeit. Als ich mich wenig später nicht wohl fühlte,
     habe ich mich an ihn erinnert und von ihm behandeln lassen.«
    »Wann waren Sie das
     letzte Mal bei ihm?«
    Sie überlegte. »Das
     ist schon länger her, etwa drei Monate.«
    »Warum sind Sie nicht
     mehr hingegangen?«
    »Weil er meine Probleme
     erfolgreich behandelt hat.«
    »Mit Kokain?«
     Manchmal zog er den schnellen Angriff vor.
    Kurz flackerte Überraschung
     in ihren Augen auf, dann antwortete sie gelassen: »Ja, das auch. Ich
     fühlte mich damals ausgelaugt und müde, nichts wollte mir
     gelingen. Er probierte dies und jenes, alles fauler Zauber, wenn Sie mich
     fragen. Dann empfahl er mir, es mit Kokain zu versuchen.«
    »Bekamen Sie es von ihm
     persönlich?«
    »Ja, er hatte
     gelegentlich etwas in seiner Praxis.«
    »Ihre Freundin, Frau
     Cramer, sagte mir, Sie hätten ihr Herrn Sartorius empfohlen, als sie
     unter Migräne litt. Warum haben Sie das getan, wenn Sie seine
     Methoden für faulen Zauber hielten?«    
    Elisa Reichwein lächelte.
     »Nun ja, Ellen ist eine gute Freundin, aber ich will nicht
     verhehlen, dass wir beide wenig gemeinsam haben. Sie ist sehr
     konventionell und ein wenig leichtgläubig. Und ich dachte mir, dass
     ihre Migräne vielleicht . . . wie soll ich sagen, emotionaler Natur
     sein könnte. Ein wenig Hokuspokus, ein interessanter Mann wie
     Gabriel, vielleicht würde das schon reichen, um sie von ihrem
     langweiligen Ehemann abzulenken.«
    Leo dachte an den Blick, mit
     dem Ellen Cramer ihren Mann an der Haustür erwartet hatte. Sollte
     etwa mehr zwischen ihr und dem Heiler gewesen sein?
    »War sie seine
     Geliebte?«
    Elisa Reichweins Lachen
     hallte tief und voll durch den hohen Raum. »Oh nein, das würde
     nicht zu ihr passen. Sie hätte es mir sicher erzählt. Er hat sie
     mit seiner Edelsteintherapie behandelt, das war alles, Herr Kommissar.«
    »Gut. Wie Sie bereits
     wissen, wurde Herr Sartorius vorgestern in seiner Wohnung erschlagen
     aufgefunden.«
    Sie nickte.
    »Wir vermuten, dass er
     seinen Mörder, oder seine Mörderin«, fügte er
     herausfordernd hinzu, »gekannt hat. Die Tür war nicht
     aufgebrochen, er hat den Besucher selbst eingelassen. Dürfte ich Sie
     fragen, wo Sie vorgestern zwischen fünf und sechs Uhr gewesen sind?«
    Sie zog überrascht die
     Augenbrauen hoch, bewahrte aber ihre gelassene Art. »Da brauche ich
     nicht lange zu überlegen. Ich war hier in der Galerie, mein
     Mitarbeiter Herr Melotti kann das bestätigen.«   
    »Es ist eine
     Routinefrage. Natürlich überprüfen wir alle Patienten,
     soweit sie uns bekannt sind. Können Sie sich vorstellen, welches
     Motiv hinter diesem Mord stehen könnte? Hatte Herr Sartorius Feinde
     oder Konkurrenten? Gab es enttäuschte Patienten, die sich womöglich
     an ihm rächen wollten? Er scheint in illustren Kreisen verkehrt zu
     haben.«
    »Da haben Sie Recht. Er
     lebte von den Reichen und hat sich gerne unter sie gemischt. Kein Fest war
     ihm zu bunt, keine Party zu schrill. Seine religiöse Ausstrahlung war
     nur Fassade, er war einfach gern mit solchen Leuten zusammen und hat gut
     an ihnen verdient.«
    »Und dennoch haben Sie
     Ihre, wie Sie sagen, gutgläubige Freundin zu ihm geschickt?«,
     hakte Leo noch einmal skeptisch nach.
    Elisa Reichwein lachte.
     »Ich pflege großzügige moralische Maßstäbe,
     Herr Kommissar. Er war ja kein Verbrecher und hat, soweit ich weiß,
     niemandem geschadet. Das hat Ellen Ihnen gewiss bestätigt.«
    Er merkte, dass er bei ihr
     nicht weiterkam. Auch war kein Motiv für einen Mord zu erkennen, doch
     die Begegnung mit der Galeristin hatte immerhin dazu beigetragen, einige Lücken
     im Bild des Ermordeten zu füllen. Leo stand auf und warf noch einen
     Blick auf George Grosz’ Totentanz.

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