Leo Berlin
Diwan, daran kann ich mich
erinnern.«
»Stand er gestern am
üblichen Ort?«
»Ja. Ich weiß es
genau, weil ich Herrn Sartorius’ Honorar daneben gelegt habe.«
Das passte. In einer
Hosentasche des Heilers hatten sie ein Bündel Geldscheine gefunden.
»Im letzten Jahr wurde
der Tote mit Kokain in Verbindung gebracht. Wussten Sie davon?«
Sie schüttelte energisch
den Kopf, zu energisch, wie er fand.
»Er wurde bei einer
Razzia in der ›Flotte‹ festgenommen. Solche Lokale sind
Ihnen wohl gar nicht bekannt, dort verkehren Menschen, die Rauschgift
kaufen und verkaufen möchten. Natürlich müssen wir allen
Spuren nachgehen. Falls Sie also etwas wissen . . .«
Sie rutschte ein wenig auf
dem Sofa hin und her und sah zur Tür, als das Hausmädchen mit
dem Teetablett hereinkam. Sie stellte die silberne Kanne und die Tassen,
Milch, Zucker und Gebäckschale auf den Sofatisch und ging diskret
hinaus.
Frau Cramer schenkte ihm zart
duftenden Darjeeling ein. Dabei trinkt ganz Berlin Zichorienkaffee, dachte
er ein wenig zynisch, genoss den Tee aber dennoch.
»Also, Frau Cramer, um
noch einmal auf das Kokain zurückzukommen . . .« Dann hatte er
eine Idee. »Dürfte ich nach dem Namen der Freundin fragen, die
Ihnen Herrn Sartorius empfohlen hat?«
»Elisa Reichwein, die
Galeristin«, sagte sie rasch, als wollte sie es hinter sich bringen.
»Sie . . . na ja, ab und zu nimmt sie etwas. Sie hat mir auch davon
angeboten, aber ich habe nichts für Rauschgift übrig. Es macht
mir Angst«, fügte sie schüchtern hinzu, was Leo ganz
sympathisch fand.
»Und was hat Frau
Reichwein Ihnen über Herrn Sartorius erzählt?«
Sie schien sich inzwischen
äußerst unbehaglich zu fühlen und schaute unruhig zur Tür.
Sie leckte sich nervös über die Lippen. »Mein Mann weiß
nicht, dass ich bei einem Heiler war. Er hält nichts von solchen
Dingen, er ist ein Zahlenmensch, der immer seinem Verstand folgt. Es wäre
mir unangenehm . . .«
»Bedaure, aber ich kann
keine Diskretion garantieren«, sagte Leo knapp. »Herr
Sartorius wurde brutal erschlagen, da dürfen wir keine Rücksicht
auf Privates nehmen.«
Sie schluckte. »Also
gut, er hat Elisa Kokain gegeben. Sie war . . . irgendwie
niedergeschlagen, die Galerie lief nicht gut, sie fühlte sich
kraftlos. Also ist sie zu ihm gegangen. Zuerst hat er es mit den
Edelsteinen versucht, aber die haben bei ihr nicht geholfen. Da gab er ihr
Kokain.«
Der Heiler hatte seinen
Patienten Kokain verabreicht, eine ganz neue Perspektive. In der Wohnung
war nichts gefunden worden, aber Rauschgift ließ sich ausgezeichnet
verstecken. Er würde seine Leute noch einmal auf den Tatort ansetzen.
Falls Sartorius im großen Stil gehandelt hatte, war der Mörder
vielleicht auf das Kokain aus gewesen.
»Wie oft?«
»Das weiß ich
nicht. Sie hat geschwärmt, es verleihe ihr ungeheure Energie, sie
sehe die Welt in ganz neuen Farben, es klang unglaublich.«
»Nun ja, Kokain
verursacht einen überwältigenden Rausch, aber die Abhängigkeit,
in die man sich begibt, ist furchtbar«, sagte Leo. In den letzten
Jahren hatte der Rauschgiftgenuss in Berlin erschreckend zugenommen, eine
Razzia folgte auf die nächste, doch die Polizei wurde der Sucht nicht
Herr. »Eine letzte Frage noch: Ist Ihnen bei Ihrem Besuch
irgendetwas aufgefallen, war etwas anders als sonst? Wirkte Herr Sartorius
beunruhigt, aufgebracht oder geistesabwesend?«
»Ganz und gar nicht,
Herr Kommissar. Er war wie immer, ausgesprochen ruhig, er ruhte in sich, möchte
ich sagen.«
»Haben Sie jemanden im
Haus oder der Umgebung gesehen, der Ihnen seltsam vorkam oder sich verdächtig
verhielt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gut, Frau Cramer,
damit wäre ich für heute fertig. Falls Ihnen noch etwas
einfallen sollte, rufen Sie mich bitte im Präsidium an.« Er
schrieb ihr die Nummer auf.
Sie begleitete ihn persönlich
zur Haustür. Am Gartentor begegnete er einem eleganten, grauhaarigen
Mann, der ihn fragend ansah und kurz den Hut lüftete. Er legte Ellen
Cramer die Hand auf den Arm und führte sie ins Haus.
Als sie später in ihrem
Boudoir an der Frisierkommode saß und ihr Gesicht sorgfältig
eincremte, dachte Ellen Cramer noch einmal an den Tod des Heilers.
Seltsam, dass sie so kurz bevor ein Mensch gestorben war, noch bei ihm
gewesen, von ihm berührt worden war. Sie legte die Fingerspitzen ans
Weitere Kostenlose Bücher