Léonide (German Edition)
Körper, Léonide. Er wird mir vie l leicht noch von Nutzen sein, dieser Körper, dein Fleisch, das kochende Blut, Arme und Beine, und dann die Augen … Du hast wunderschöne grüne Augen.«
»Was meinen Sie?« Ich versuche, die Panik zu verbergen, die sich in meine Stimme geschlichen hat.
Costantinis Lächeln wird breiter, in den Augen ein Au s druck, den ich nicht kenne, nicht benennen kann. Ich betrac h te die harte Linie seiner Lippen und kann nicht glauben, dass er meinen Bruder in den Tod getrieben hat, dass er mich ve r folgt, Tag und Nacht, ob nun im Licht des Morgens oder in den dunklen Stunden des Schlafs.
Du wirst mir gehören, genau wie dein Bruder … Denk an unsere Übereinkunft …
Ich schließe die Augen, die Wand im Rücken, und lasse mich langsam an ihr hinabsinken.
»Léonide, was ist mit dir?«
Wie aus weiter Ferne höre ich die Stimme, die mir inzw i schen so vertraut ist wie die meines Bruders oder meine eig e ne.
Die Stimme meines Bruders … Ich habe solche Angst, sein Opfer zu vergessen, den Preis, den er gezahlt hat. Was , wenn ich ihn vergesse? Wenn ich eines Tages aufwache und mich nicht mehr an den Klang seiner Stimme, die Art, wie er den Pinsel hielt oder sein Lächeln erinnern kann?
»Léonide … «
Ich schlage die Augen wieder auf, spüre zwei warme Hände, die mich festhalten und mich wieder zur Besinnung bringen. Neben mir kniet Frédéric und betrachtet mich, und seine A u gen sind braun, nicht eisblau. Sie gehören ihm, niemandem sonst. Ich darf mich nicht täuschen lassen von Costantini, darf meinen Ängsten nicht nachgeben. Wenn ich das tue, räume ich Costantini genau jene Macht über meinen Körper ein, die er zu erlangen versucht.
Woher willst du wissen, dass Frédéric und Costantini nicht ein und derselbe sind?
»Nein. Ich will nichts davon hören.«
Sieh ihn dir an! Ist da nicht etwas in seinen Augen, das dem Au s druck in Constantinis Blick ähnelt? Dieses Leuchten, dieses Feuer … Und sieh dir seine Lippen an … dieses Lächeln!
»Sei endlich still!« Ich reiße mich los und komme taumelnd auf die Beine.
»Léonide.« Frédéric steht entgeistert und mit verletztem Ausdruck vor mir. Nein, diese Augen gehören nicht Costant i ni, sie können niemand anderem als Frédéric gehören, ich weiß es, wenn es anders wäre, würde ich es sofort erke n nen.
Als Frédéric merkt, dass ich wieder zu mir komme, macht er einen Schritt auf mich zu und streicht mit dem Handrücken über die Wange. In seinen Augen ist noch immer jener Au s druck, den ich kaum ertragen kann und der danach zu fr a gen scheint, was er getan hat und warum ich ihn von mir g e stoßen habe.
Ich kann nichts sagen, kann mir nicht erklären, was gesch e hen ist. Frédéric darf nichts davon erfahren. Ich weiß, ich bin nicht krank, mir fehlt nichts. Es sind Hinweise auf dem Weg, der mich den Antworten, nach denen ich suche, näher bringt, und ich muss ihnen folgen, bin ihnen ausgeliefert.
»Entschuldige.« Meine Stimme ist nicht mehr als ein Flü s tern, das im Raum verhallt, als hätte der Wind es davongetr a gen. Ich küsse Frédérics Handfläche, ehe ich ihn in die Arme schließe. Könnte ich dich doch immer so halten , doch das sage ich nicht laut, auch dann nicht, als er mich drängend und gierig küsst wie ein Schiffbrüchiger, der weiß, dass er verloren ist.
Wir beschließen noch am selben Tag, nach Les Baux abzure i sen . S elbst Frédéric muss zugeben, dass ich meine Suche nur dort fortsetzen kann. Zweifel lässt er diesmal keine verlauten – vielleicht hat er eingesehen, dass es sinnlos ist.
Was mich betrifft, so hat die Vision von Costantini mich so verstört, dass ich schon beim Gedanken an die stahlblauen Augen und sein stille s l ächeln zu zittern beginne . Ich muss meine Angst vor Frédéric verbergen, darf mir nichts anme r ken la s sen, muss mich wehren gegen Costantinis Einfluss, um nicht unterzugehen – so, wie mein Bruder untergegangen ist.
Was auch immer Frédéric und mich in Les Baux erwartet, ich werde mich nicht fürchten, also verbiete ich mir, auch nur d a ran zu denken, dass Costantini ein Mann, nein, eine Kreatur ist, die Menschengestalt annehmen und ihre Opfer im Schlaf besuchen, ihnen in Gestalt ihrer Ängste vor die Augen treten, sie sogar in den Wahnsinn treiben kann. Ich werde mich nicht von N euem der Verzweiflung hingeben, die in den letzten W o chen schal auf meiner Zunge lag.
Indes habe ich eine Ahnung, und obwohl ich noch nicht e r fasst
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