Leopardenblut (German Edition)
kommunizieren. Sobald er ihren Stern eingekreist hatte, wollte er sie ins Medialnet locken. Wenn sie sich dann zeigte, würde er diesen Teil ihres Bewusstseins gefangen nehmen. In den ersten Millisekunden, nachdem man sich im Medialnet manifestiert hatte, war man sehr verletzlich. Dann erst waren die flexiblen Sicherheitssysteme an ihrem Platz. Fast niemand war dazu in der Lage, in dieser kurzen Zeit eine Falle zuschnappen zu lassen.
Aber Enrique war kein einfacher Medialer, es konnte ihm gelingen. In dem Fall würde er einen Teil ihres Bewusstseins abtrennen. Das war eine der brutalsten Möglichkeiten, den Körper eines Medialen völlig unbeweglich zu machen. Dauerte die Paralyse zu lange an, so zerriss die Verbindung zwischen dem Selbst und dem Verstand und man starb, da keiner der beiden Teile eine Trennung überleben konnte.
Der im Netz verbliebene Teil des Bewusstseins verschwand in den Weiten des Medialnets. Einige Theorien gingen davon aus, dass der Netkopf auf diese Weise entstanden war – aus den Gehirnen der Medialen, die in einen Hinterhalt geraten waren oder sich auf andere Weise in der Dunkelheit des Medialnets verloren hatten.
„Ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen, Sir.“
„Ich glaube, es ist endlich an der Zeit, darüber zu reden, Sascha.“ Er war überall. Kalt und punktgenau wie ein Laserstrahl.
„Ich bin gerade in einer Besprechung.“
„Beende sie!“ Er zog seine Kreise enger um sie.
„Mutter hat mich angewiesen, die Verhandlungen abzuschließen.“ Die Situation war gefährlich, sehr gefährlich. Aber sie verstand nicht, was Enrique von ihr wollte.
Die von ihr ausgesandten Gedanken waren nicht offen „falsch“. Die Spuren eines anderen Bewusstseins waren so subtil und stammten aus einer solchen Tiefe, dass nur ein Medialer, der mit Gewalt in den Verstand einer Gestaltwandlerin eingedrungen war, sie überhaupt wahrnehmen konnte. Nur jemand, der das getan hatte, würde wissen, was er da spürte.
„Ich will nicht mehr warten, bis du endlich Zeit hast. Wenn du nicht auf der Stelle herkommst, stelle ich dich vor den Rat.“
„Was wäre denn mein Vergehen?“ Sie stattete ihre energetische Stimme mit dem Selbstvertrauen einer Kardinalmedialen aus, deren Mutter selbst im Rat saß.
„Du bist nicht rein, Sascha. Du denkst wie sie.“ Er war sich vollkommen sicher. „Du denkst wie die Tiere, mit denen du so gut zusammenarbeitest.“
Fast hätte sie sich verraten, denn damit hatte sie absolut nicht gerechnet. Soweit ihr bekannt war, hatte Enrique nie Kontakt zu Gestaltwandlern gehabt. Wie konnte er dann diesen Fehler in ihrer Psyche wahrnehmen? „Sie müssen sich irren.“
„Ich bin in ihren Köpfen gewesen. Ich weiß genau, wie es dort aussieht.“ Die Falle hatte gründlich zugeschnappt. Selbst wenn sie es versucht hätte, hätte sie keinen Ausweg gefunden. Enrique war noch stärker, als sie vermutet hatte. Wahrscheinlich war er der mächtigste Kardinalmediale im ganzen Medialnet.
„Wie haben Sie das gemacht?“ Sie war verwirrt und verzweifelt. Man mordete aus Zorn, Wut und Eifersucht. Enrique hatte keine Gefühle, also konnte er doch gar nicht die Grausamkeit besitzen, die so viele Frauen das Leben gekostet hatte.
„Der Rat wollte den Feind näher kennenlernen. Wir haben ihre Denkstrukturen an Freiwilligen erforscht.“ Er stocherte in dem Riss wie in einer Wunde herum.
Es tat weh. „Sir, was machen Sie da?“
„Ich warte nicht gerne, Sascha.“
Aber er redete gerne, dachte sie. „Ich versuche gerade, die Besprechung zu beenden. Wenn ich plötzlich aufspringe, werde ich alles bisher Erreichte zunichtemachen. Ich wusste nicht, dass der Rat Forschungen in dieser Richtung betreibt.“
„Nennen wir es ein privates Interesse. Die besten Objekte sind ihre Frauen. Sie haben etwas Vollkommenes an sich.“
Ich hätte nie vermutet, dass du dermaßen vollkommen bist.
„Sie sind schwach“, sagte sie, um ihn weiter hinzuhalten. „Sie fühlen. Vollkommenheit findet man nur bei den Medialen.“
Kalt und bedrohlich wirbelte Enriques Energie um sie herum, als sie sich langsam zu der verborgenen Tür in ihrem Verstand bewegte. Sie musste dort hineingelangen, bevor sie sich vom Medialnet trennte. Wenn Enrique ihren Schutz durchbrach, würde er auch Lucas zerstören. Niemals!, dachte sie wütend. Ihr Mann durfte nicht sterben.
Es flüsterte in ihren Gehirnwindungen. Dem versteckten Panther gefielen ihre Gedanken, aber seine Aufmerksamkeit galt ausschließlich Enrique,
Weitere Kostenlose Bücher