Lesereise Schweiz
Eisen abgebildet: Rüstungen, Schilde, Lanzen und Schwerter von einem Kaliber, dass man schon ein rechter Alien-Predator sein muss, um sie schwingen zu können.
Heute ist das Château Gruyères zur kulturellen Erbauung da, mit wechselnden Kunstausstellungen und Konzerten. Sein Profil entstand in der Renaissance, als die Burg in ein Schloss verwandelt wurde. Die neuen Herren wendeten sich schöngeistigeren Dingen zu. Bis ihnen das Geld ausging, Gruyères 1798 seinen Status als Stammsitz verlor und fast in Vergessenheit geriet. 1848 kaufte die Genfer Künstlerfamilie Bovy die Immobilie und machte sie sich und ihren Künstlerfreunden zur Spielwiese. Darunter war auch der französische Maler Camille Corot, der im Corot-Saal vier Medaillons schuf. Im Musikzimmer steht ein echter Liszt-Flügel.
Es ist nicht überliefert, ob Aliens Käse mögen. Es ist aber auch nicht überliefert, dass Käse sie abwehrt, etwa wie Knoblauch die Vampire. Gruyères ist ja nicht nur Burg, sondern auch Hochburg des berühmten Käses Gruyère (französisch) oder Greyerzer (deutsch), der hier in fast jedem Geschäft zu haben ist. Er dient vor allem als Basisstoff für das Schweizer Fondue. Der Kanton Fribourg schwärmt für die Moitié-moitié-Variante, bei der fifty-fifty Gruyère und Vacherin in den Topf kommen. Kein Restaurant, in dem es nicht auf der Karte stünde. Die Schaukäserei unterhalb der Burg zeigt den Herstellungsprozess, wie aus Milch Gruyère-Käse wird.
Ebenso wenig ist bekannt, ob Aliens in Schokolade eine zarte Versuchung erkennen. Ob es sie womöglich zu den in Gruyères Nachbarschaft liegenden Schokomanufakturen ebenso zieht, wie die Erdenbürger. Es bleibt ein süßes Geheimnis. Der zartschmelzende Stoff ist nämlich die süße Seite von Gruyères. Den Süchtigen treibt es erst nach Broc, wo er das Nervenzentrum der Chocolaterie besuchen kann: Nestlé-Cailler, die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz.
Ein bisschen fühlt man sich im benachbarten Ort La Roche dann wie im Film »Chocolat«, und man würde sich nicht wundern, träfe man in der »Pâtisserie de la Roche« Juliette Binoche. Zig Pralinés, Trüffel, Petit Fours und Osterhasen, alle handgefertigt, und die Lust ist kaum zu bändigen. Patissier Stéphane Vitali gibt Seminare zum Selbermachen von Schokolade. In seiner Manufaktur riecht es streng bitter-säuerlich nach der Kakao-Rohmasse. »Wollt ihr weiße, braune oder schwarze?«, fragt Stéphane. Je heller die Schokolade, desto weniger Kakao enthält sie. Schwarze Schoggi besteht zu siebzig Prozent aus dem »Gold der Maya«. »Wir nehmen nur echte Kakaobutter, nicht das billige Kokosöl«, betont der Chocolatier. Das ist doppelt so teuer, aber geschmacklich unschlagbar.
Stéphane hat die gut gerührte Schokomasse flüssig gemacht und kühlt sie auf zweiunddreißig Grad ab, damit sie in der Form haftet. Die meisten entscheiden sich für die Form »Schweizer Kuh«. Zusammengeklammert kommen die Hälften in den Kühlschrank. Danach lassen sie sich gut lösen und werden verziert. Wer weiß, vielleicht wird es ja auch mal einen Schoko-Alien geben. Nachweislich macht Süßes glücklich, und immer nur Menschen zu fressen, ist bestimmt kein Zuckerschlecken.
Rot-weiße Spielfelder: Wir sind das Plus
Nachlese zur Fußball-Schweiz 2008
Das Fußballjahr 2008 war spannend, sehr spannend. Die Alpen hatten ein Gefühlshoch. In der Schweiz und in Österreich ging es rund. Die Spielvereinigungen Rot-Weiß boten Steilvorlagen für ihre Fans. Jeder gab Anstöße für Geist und Genuss, versprach Doppelpässe zwischen Architektur und Skulptur, entwickelte Befreiungsschläge in Seen und Landschaft und brachte die Marketing-Stürmer gegen den Alpennachbarn gern in Stellung. Medaillenträume hegten weder Schweizer noch Österreicher; sie fühlten sich ganz in der Gastgeberrolle. Beide Alpenländer gehören flächenmäßig zu den kleinsten Ländern Europas, verfügen über Gipfel zuhauf, nicht nur landschaftliche, sondern auch kulturelle. In beiden ist Deutsch Amtssprache. Und die Schweiz lockte: Entdecke das Plus! Die Eidgenossen münzten das nicht nur auf das Kreuz in ihrer Flagge, augenzwinkernd wollten sie auch sagen: »Wir sind das Plus.« Entdeckt uns.
Allein in der Eidgenossenschaft liefen vier Städte monatelang organisatorisch auf Hochtouren: Basel, Bern, Genf und Zürich. Sie rechneten mit jeweils rund fünfzigtausend Besuchern, Schweiz- und Fußballfans. Eintrittskarten gab es schon lange vor dem
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