Lesereise Sizilien
blühte und machte alle Beteiligten zu Millionären. Sizilianer kooperierten mit jüdischen Gangs und sahen sich in schwere Kämpfe mit den irischen Banden verwickelt. Es war die Zeit, als sich die Unione Siciliana – aufgrund der Ausschaltung ihrer Führer – auflöste und sich die Familien bildeten. Doch mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg schlossen sie eine Zweckgemeinschaft. Um die Herrschaft des Faschismus von Süden her aufzurollen, landen Alliierte in Sizilien. Die Amerikaner haben vorher, um ihre Landung vorzubereiten, in die USA emigrierte prominente Mafiosi mit Geld und Waffen versorgt und nach Sizilien zurückgebracht. Exilsizilianische Verbrecher wie Lucky Luciano schleusten sie als Mittelsmänner ein und unterstützten die USA maßgeblich bei der Befreiung Italiens.
Die Verbindungen zwischen der Mafia auf Sizilien und in den USA sind bis heute weit enger als bisher von Ermittlern angenommen. Es waren Paten aus Übersee, die eine entscheidende Rolle bei den spektakulären Mordanschlägen in Palermo gegen die Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino gespielt haben. Die Sizilien-Connection ist auch weiterhin stabil. Die US -Mafia schickt ihren Nachwuchs inzwischen zur Weiterbildung nach Sizilien. Vor allem in der Provinz Trapani in Westsizilien bekommen die angehenden Mafiosi aus Übersee den letzten Schliff, wie Mafia-Überläufer Antonino Giuffre ausgeplaudert hat. Die in die USA ausgewanderten Mafiosi zeigen sich mittlerweile nämlich enttäuscht darüber, dass die eigenen Kinder die Traditionen der Cosa Nostra nicht beachten. Anstatt sich wie »anständige Mafiosi« zu benehmen, lungern sie in Spielhallen und Bordellen herum und vernachlässigen die Religion. Diese Fehler sollen ihnen in der Heimat des organisierten Verbrechens ausgetrieben werden.
Memento mori
Gruseliges auf Sizilien
»Hier ein Mann, vor dem andere Köpfe zu Boden gefallen waren und der von einem grässlichen Mahl auf dem Grund der Hölle aufgestanden zu sein schien und ein Stück weiter wieder asketische, fanatische Priester in Predigerpose und ein gewaltiger, mit einer Mitra aus bestickter Seide gekrönter Bischof, gewichtig in seiner maßlosen Fettleibigkeit, mit schweren Lidern und feisten Wangen, das Kinn bereits vom Wurm zernagt, alles aber noch aufgedunsen von einer unermesslichen Lebensgier – er schien mehr am Leben zu hängen als mancher Lebende. Ein berühmter Anwalt mit hoher, gewölbter Stirn hielt in seiner verschossenen und zerfetzten, aber dennoch feierlichen Toga Plädoyers, und der Professor Salvatore Manzella, ein berühmter Chirurg, stand in seinem weißen Arztkittel, der auf der Brust mit langen Nadelstichen zusammengeflickt war, gerade so da, als hätte er sich selbst bei seiner letzten Operation genäht. Und alle sahen aus, als lebten sie noch, nunmehr sogar mit einer erhöhten Lebenskraft, da sie ja mit der Flüssigkeit alles Vergnügliche und Trübe ihres irdischen Daseins ausgeschieden hatten.«
Carlo Levi in seinen sizilianischen Reiseerzählungen in den frühen fünfziger Jahren. Er musste durch die Gewölbe des Convento dei Cappuccini noch mit Kerzenlicht schleichen. Heute erhellt elektrisches Licht die düsteren Gänge. Zum Glück bleibt es aber dennoch halbdunkel, dort, wo die berühmten achttausend Mumien von Palermo ruhen, denn ihr Anblick ist auch heute noch furchterregend. Frauen, Männer und Kinder, erstaunlich gut erhaltene Mumien, stehen aufgereiht, liegen in offenen Särgen oder klammern sich an Gitterstäbe. Leere Augenhöhlen, herabgekullerte Totenschädel, wie zum Schrei weit geöffnete Münder. Der Zahn der Zeit nagt an den Kleidern. Früher sorgten die Verwandten regelmäßig für neues Gewand, wenn Samt und Seide zerfallen waren, richteten Körper wieder auf, wenn sie zusammensackten, kamen auf ein Plauderstündchen vorbei, hielten Familienrat unter der Erde. Heute kümmern sich Mönche um das Gruselkabinett und packen die Skelette in Sackleinen, wenn es so weit ist.
Das Kapuzinerkloster ist eine Touristenattraktion, pietätvollerweise muss man keinen Eintritt zahlen, sondern eine kleine Spende entrichten. Die Besucher schleichen verlegen lächelnd, angewidert stirnrunzelnd, ungläubig kopfschüttelnd durch die Gänge, mitunter rennt auch mal einer mit schrillem Entsetzensschrei und Schweißperlen auf der Stirn Richtung Ausgang. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden in den Gängen der Katakomben die Palermitaner aufbewahrt, 1881 verboten die Spanier den makaberen
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