Lesley Pearse
Zeit auf ihr gelastet hatte, war wie fortgewischt, und an ihrer Stelle erfüllte sie Vorfreude auf die Zukunft. »Es wird nicht so viel Arbeit sein, für euch beide zu sorgen, jetzt, da die anderen fort sind.«
Plötzlich strahlte Tabitha sie an. »Papa hat gesagt, dass das Abendessen eine besondere Feier ist, weil ihr eine Überraschung für mich habt. Ist es ein Hündchen?«
»Nein«, Matilda lachte. Sie vermutete, dass Giles seiner Tochter von der bevorstehenden Hochzeit erzählen wollte.
Tabitha legte die Stirn in Falten. »Was ist es denn dann?«
»Wenn ich es dir erzählen würde, wäre es ja keine Überraschung mehr.« Matilda schmunzelte. »Dann stehe ich wohl besser auf und ziehe mich an, was?«
Das Hühnchen mit Bohnen und Kartoffeln schmeckte umso besser, da Matilda es nicht selbst hatte zubereiten müssen, und sie griff voller Appetit zu.
»Lasst mich doch nicht so lange warten«, quengelte Tabitha während des Abendessens. »Ich kriege vor lauter Aufregung nichts runter.«
Giles strich liebevoll über Tabithas Haar. »Könnte eine neue Mama dich vielleicht zum Essen überreden?«
Ihre Augen weiteten sich, und vor Schreck fiel ihr beinahe die Kinnlade herunter.
»Nun?«, hakte Giles nach. »Bedeutet das ›Ich freue mich‹?«
Tabitha schüttelte energisch den Kopf. »Ich will keine neue Mama. Ich möchte mit dir und Matty hier leben, sonst mit keinem.«
»Das ist aber ein bisschen egoistisch«, entgegnete Giles und setzte eine missbilligende Miene auf. »Papa möchte nämlich gern eine neue Frau.«
»Ist sie hübsch?«, fragte Tabitha mit finsterem Blick.
»Oh ja, sehr sogar, und intelligent noch dazu!«
Tabithas Gesicht zuckte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nein, Papa, du darfst nicht heiraten, was soll Matty denn dann tun? Du wirst sie doch nicht fortschicken, oder?«
Matilda warf ihm einen ernsten Blick zu. Er hatte das Spiel zu weit getrieben.
»Nein, ich schicke sie nicht weg«, erklärte er und zog an Tabithas Pferdeschwanz. »Ich werde nämlich sie heiraten. Matty wird deine neue Mutter sein.«
Für einen kurzen Moment starrte Tabitha ihn mit offenem Mund an. Dann sah sie zu Matilda hinüber. »Stimmt das?«
Matilda nickte. »Möchtest du mich als neue Mama haben?«
Tabithas Lächeln war so breit wie ein Stück Wassermelone, und ihre Augen leuchteten wie zwei Fackeln. »Für immer und ewig?«, flüsterte sie, als könnte sie es nicht glauben.
»Für immer und ewig, wenn du möchtest«, versicherte Matilda.
Tabitha sprang so plötzlich von ihrem Stuhl auf, dass er hintenüberfiel, rannte zu Matilda und schlang ihre Arme um ihren Nacken. »Das ist eine viel bessere Überraschung als ein Hündchen«, jubelte sie, und ihre Stimme quietschte vor Aufregung. »Ich habe Mrs. Homberger gefragt, warum Papa dich nicht einfach heiratet, und sie hat gemeint, sie fände das auch eine gute Idee. Hat sie euch gesagt, dass ihr heiraten sollt?«
Matilda und Giles lachten laut. »Nein, wir haben uns ganz allein dazu entschlossen«, erklärte Giles.
Tabitha blieb an diesem Abend lange auf, während sie gemeinsam Pläne für die Hochzeit schmiedeten. »Morgen werde ich jemanden bestellen, der das Haus anstreicht«, erklärte Giles und sah zu den schmutzigen Wänden hinüber. »Ihr beide könnt ausgehen und ein paar Längen Stoff kaufen, um neue Gardinen und Kleider für die Hochzeit zu nähen.«
»Darf ich ein rotes Kleid haben?«, bettelte Tabitha aufgeregt.
Matilda sah Giles an. Sie war unsicher, ob Tabitha unter diesen Umständen ihre Trauerkleidung ablegen durfte.
»Nun ja, Schwarz ist eigentlich für eine Hochzeit unangemessen, aber Rot ist es auch«, wandte er vorsichtig ein. »Ich denke, Blau mit ein wenig weißer Spitze wäre genau das Richtige.«
Sie schrieben eine Liste mit den notwendigen Einkäufen, und Giles schlug vor, sie sollten die Dinge gleich morgen besorgen. »Ich werde den Pfarrer aus St. Joseph besuchen und ihn bitten, uns zu trauen. Ich fahre am Montag los, dann kann ich schon am Samstag wieder hier sein, früh genug, um am Sonntag in der Kirche unsere bevorstehende Hochzeit bekannt zu geben.«
Nachdem Matilda und Tabitha vom Flussufer zurückkehrten, wo sie Giles auf einem Dampfer nach St. Joseph verabschiedet hatten, wartete eine Überraschung auf sie. Es war ein Brief von John und Cissy gekommen, der auf den ersten Oktober datiert war. Dies war außergewöhnlich schnell für die Post, und Matilda vermutete, dass John den Brief einem Soldaten gegeben
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