Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
Vom Netzwerk:
diesmal ist es nicht deine Mutter, sondern ein Mann. Er geht übers Wasser …«
    »Dann ist es hoffentlich Jesus, der dir mal den Kopf zurechtrückt.«
    »Er hat einen Koffer in der Hand.«
    Lettie wirbelte herum. »Wo?«
    Aber da hatte sie ihn auch schon entdeckt: Es war der Schneehändler, der einfach über die Wellen stapfte – als wäre es das Normalste der Welt. Er hatte die Löcher in seinem Mahagonikoffer mit Zeitungspapier und Fett verstopft und hielt eine Pipette mit Äther in der Hand, um sich übers Wasser einen Pfad bis zu Noahs Boot zu vereisen.
    »Das glaube ich nicht!« Letties Vater schlug sich selbst ins Gesicht. »Ich habe Halluzinationen.«
    »Nein, hast du nicht«, erwiderte Lettie leise. »Ich sehe ihn auch.«
    Dann drehte sie sich zu Noah um und winkte ihn eifrig herbei.
    Ihr Vater rieb sich die Augen. »Nein, du verstehst nicht, was ich meine. Ich sehe den alten Lehrmeister deiner Mutter, Meister Blüstav. Sie ist damals mit ihm auf und davon. Seither habe ich von beiden nie wieder etwas gehört. Und jetzt sitze ich hier und sehe ihn übers Wasser gehen. Ich habe wirklich zu viel getrunken. Mein Gehirn …«
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    »Hilft nichts. Ich sehe ihn immer noch.«
    »Papa, hör zu …« Lettie versuchte zu begreifen, was da eigentlich passierte. Blüstav war der Schneehändler? Blüstav, der Alchemist aus ihrer Geschichte, Blüstav, der Betrüger … Wenn ihr Vater keinen Unsinn erzählte, waren sie alle ein und dieselbe Person.
    Und er war dabei, zu entkommen!
    »Hör zu!« Sie packte ihren Vater bei den Schultern und schüttelte ihn. »Es ist wirklich Blüstav!«
    »Unmöglich!«, widersprach er.
    »Nein, er ist es. Ich sehe ihn auch!«
    »Und ich auch!«, sagte Noah, der gerade zu ihnen gestoßen war.
    Letties Vater riss die Augen auf, und Lettie sah darin etwas, was sie schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    Hoffnung.
    »Blüstav!«, rief er. »Blüstav! Was hast du mit Teresa gemacht?«
    Aber der Alchemist hörte ihn nicht. Gerade schob er seinen Koffer auf den Anlegesteg und hielt auf die Leuthas Holz zu.
    »Er bleibt nicht stehen!«, schrie Letties Vater. »Er rennt weg, der Mistkerl! Komm zurück, du Gauner! Wo ist Teresa?«
    Auch Lettie wollte Antworten haben. Der Wind zupfte sie am Ärmel, und sie rannte den Steg hinunter zur Leuthas Holz . Ihre Schritte dröhnten auf den hölzernen Planken.
    »Blüstav!«, rief ihr Vater. »Wo ist Teresa?«
    »Wo ist meine Mutter?«, brüllte Lettie unwillkürlich.
    Inzwischen waren die Rufe an Blüstavs Ohren gedrungen, und er begann so schnell zu laufen, wie er nur konnte. Aber sein Mahagonikoffer war schwer, und so hatten ihn die anderen bald eingeholt. Keuchend blieb der Mann schließlich stehen.
    »Jetzt haben wir dich«, sagte Letties Vater.
    Blüstav lächelte. Dann pickte er sich kühl einen gefrorenen Eistropfen von der Stirn und schnippte ihn ins Meer. Er steckte eine Hand in seinen Mantel und holte etwas heraus. Lettie sah zu spät, was es war: das Fläschchen mit dem Gastromajus!
    Mit einem Schrei wich sie zurück und zerrte dabei Noah und ihren Vater mit sich.
    Aber Blüstav war schneller und kippte ihrem Vater die Flüssigkeit direkt in den Mund. Sofort stürzte Henry Peppercorn hustend und würgend zu Boden.
    »Das wird dich lehren, nie wieder einen Alchemisten überlisten zu wollen!«, sagte Blüstav.
    »Was haben Sie getan?«, keuchte Lettie mit wild pochendem Herzen. »Das ist mein Vater!«
    »Nicht mehr lange«, gab Blüstav zurück.
    Sie funkelte ihn zornentbrannt an.
    Blüstavs Hand zuckte. Ob er wohl daran dachte, Lettie auch ein paar Tropfen Gastromajus einzuflößen?
    »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte Noah, knipste einen riesigen Dorn von seinem Stängel und reckte ihn wie einen Dolch nach vorn.
    Blüstav zuckte mit den Schultern, wirbelte herum und rannte wieder auf die Leuthas Holz zu.
    »Stehen bleiben!«, brüllte Lettie. »Kommen Sie sofort wieder her!«
    Sie drehte sich zu ihrem Vater um. Keuchend lag er auf dem Steg und raufte sich die roten Haare. »Was passiert nur mit dir?«, fragte sie.
    Und wie zur Antwort begann er sich zu verwandeln.
    So etwas Angsteinflößendes hatte Lettie noch nie gesehen. Die Alchemie verwandelte ihren Vater in ein … ja was eigentlich? Sein Hals wurde länger, seine Haut wurde durchscheinend grün. Und er schrumpfte, schrumpfte immer weiter. Die Luft knisterte und knackte, Rauch kam aus seinem Mund und seinen Ohren. Eine Sekunde

Weitere Kostenlose Bücher