Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
Vom Netzwerk:
Vierzimmer-Schuhschachtel voller Andenken an Amanda – Ballettfotos, Badminton-Pokale, Urkunden von der Kosmetikschule –, und es roch angenehm. Jeremy fiel auf, dass alles an Amanda anders wirkte, sobald sie durch die Tür geschritten waren: Ihre Kleider wirkten auf einmal nicht mehr strahlend und unkonventionell, sondern altmodisch und bequem, und wenn sie redete, klang das nicht mehr urban und hip, sondern kichrig und schwatzhaft. Jeremy war sich zunächst nicht ganz sicher, was er von diesen Veränderungen halten sollte.

    Nach einem grundsoliden Lammstew zum Abendessen legte Amandas Mutter alte Familienvideos ein. Sie tranken Bier und schauten sich eine pummelige Amanda aus der dritten Grundschulklasse an, die grinsend beim Krippenspiel mitmachte. Sie lachten, als sie mit elf beim Schulsport am Weitsprung teilnahm, und als sie mit vierzehn beim Sonnenbaden im Portugalurlaub ihre Zunge herausstreckte, lachten sie auch.
    Alle vier waren ein bisschen angeheitert, als sie sich ihre alten Schulzeugnisse ansahen …
     
    Könnte mehr leisten.
    Ist unkonzentriert.
    Wirkt gelangweilt.
    … und waren definitiv besoffen, als das Foto von Amanda und ihrem ersten Freund, Peter Bishop, auf dem Couchtisch landete.
    »O Gott, was habe ich mir dabei bloß gedacht?« sagte Amanda und begutachtete den fünfzehnjährigen Jungen. Er sah sehr gut aus, und ihr Kommentar sollte offenbar bloß verhindern, dass Jeremy sich unwohl fühlte.
    »Was hast du dir dabei gedacht?« fragte jemand. Es war keine glückliche Stimme.
    »Was hast du dir dabei gedacht, Mand? Einfach so zu verschwinden?«
    Ihre Mutter war jetzt betrunken genug, um sie zur Rede zu stellen.
    »Zehn Jahre ohne einen einzigen Besuch. Manchmal haben wir geglaubt, dass du tot bist!«
    Amanda legte das Fotoalbum auf den Couchtisch und stellte ihr Bier ab. Sie ging zu ihrer Mutter hinüber, kniete vor ihr nieder und vergrub den Kopf in ihrem Schoß.
    »Es tut mir so leid«, schluchzte sie. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe! Ich liebe euch so sehr! Ich weiß, dass es kitschig klingt, aber ich wollte versuchen, mich selbst zu finden.«

    »Und hast du das?«
    »Ich habe Jeremy gefunden«, antwortete Amanda. »Es tut mir leid, dass ich euch wehgetan habe.«
    Amandas Vater setzte sich zu seinen beiden Mädels aufs Sofa, während Jeremy mit Tränen in den Augen zusah.
    Sie verbrachten drei Tage damit, ihre Hochzeitsfeier zu organisieren. Jeremy ließ sogar sein Handy die meiste Zeit ausgeschaltet, obwohl sein Stellvertreter in der Firma kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand: Das Glas der Terrassentüren für das Finsbury-Park-Projekt sei eingetroffen, habe aber die falsche Größe. Und die Wasserrohre in einer der billigeren Mietwohnungen seien geplatzt und hätten das makellose Esszimmer des schwulen Paares im darunterliegenden Stockwerk beschädigt.
    »Schick das Glas zurück«, sagte Jeremy. »Wir bezahlen nur, was wir bestellt haben. Dann ruf den Klempner und die Versicherung an. Ist doch ganz einfach.«
    Die Feier sollte im Grantly Hotel stattfinden, einem Dreisterneklotz zwei Blocks tiefer in der Kieselputzhölle, und Mands Eltern bestanden darauf, alle Kosten zu übernehmen.
    »Kein Wort mehr davon«, hatte Mr. Kelly gesagt, als Jeremy seine Brieftasche öffnete. »Das ist das Mindeste, was wir für unsere Mand tun können.« Jeremy wäre niemals eine Abkürzung für Amandas schönen Namen in den Sinn gekommen, aber da war sie: Mand.
    Anfangs wusste Jeremy nicht so recht, was er von dem Gesamtbild halten sollte, zu dem sich die verschiedenen Teile Amandas zusammenzusetzen begannen. Mand. Wer war das?
    Sie gingen in ein Pub im West End. Amandas Freunde saßen um einen Tisch herum und bestürmten sie mit Fragen. Was hast du gemacht? Warum hast du nicht wenigstens mal geschrieben? Wie seid ihr euch begegnet? Weißt du schon, dass Peter Bishop jetzt geschieden ist? Jeremy sog alles in sich auf – wie zwanglos und unbefangen es in dem Pub zuging, wie sehr Amanda von allen gemocht wurde, wie lebhaft sie in Gesellschaft ihrer Freunde war. Es war ein toller Abend, und er hatteihre Clique so gründlich umgarnt, dass sie ihn beim Abschied voll und ganz akzeptierten.
    In dieser Nacht küssten sie sich im Bett, und sie hörten stundenlang nicht damit auf.
    »Ich glaube, ich liebe dich mehr als vor unserer Fahrt«, sagte er.
    »Ich war eine schlechte Tochter.«
    »Sie verzeihen dir. Sie lieben dich. Und ich liebe alles an dir.«
    Er liebte es, dass sie einerseits

Weitere Kostenlose Bücher