Letzte Beichte
Pine-Tree-Unisex-Hairdressing-Salon in Newton Mearns betrat, sah ich keinen Grund, meine Meinung über das Maniküren zu ändern: Da saßen reihenweise bewegungslose Damen, die schüttelten und pusteten, schüttelten und pusteten.
Was machte Amanda hier? Sie war schön, sie war schlank wie ein Aal, und sie hatte dichtes, rotes Lockenhaar. Ihre Kleidung war unkonventionell und bequem. Ihr Lächeln wirkte faszinierend. Falls sie geschminkt war, fiel das kaum auf. Sie wirkte natürlich. Sie war makellos. Wenn ich sie auf einer Party gesehen hätte, dann hätte ich mich mit ihr unterhalten wollen. Sie war eine Frau nach meinem Geschmack. Und sie sah viel zu interessant aus, um sich für Fingernägel zu interessieren.
Amanda führte mich zu ihrem winzigen Tisch und tauchte meine Hände in warmen Honig, während ich ihr von dem Gutachten erzählte.
»Wie geht es ihm?« fragte sie.
Dilemma! Jeremy hatte mich nicht nur gebeten, nicht mit ihr zu sprechen, er hatte auch gesagt, dass sie nichts von seinen Schwierigkeiten erfahren solle. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass es ihm nicht gutging, dass er wahrscheinlich schikaniert wurde und vielleicht in Gefahr schwebte. Aber auf der Fahrt zum Salon hatte ich mich gefragt, wie es mir an ihrer Stelle ergangen wäre: Hätte ich all das wissen wollen? Wenn Chas verletzt und verängstigt gewesen wäre, hätte ich das wissen wollen? Wenn ich nichts anderes hätte tun können, als mir Sorgen zu machen?
»Ihm geht’s gut«, log ich. »Er kommt klar. Wie steht es mit Ihnen? Wie kommen Sie klar?«
»Gar nicht«, sagte sie und biss sich auf die Lippen. »Natürlich nicht. Aber Jeremy ist unschuldig, das weiß ich. Hat er Ihnen gesagt, dass seine Mutter sein Alibi nicht bestätigen will? Verdammter Drachen. Sie will, dass man ihn wegsperrt. Ich weiß nicht, wer Bridget umgebracht hat, aber er war es nicht. Das war ein Monster.«
Eindeutig eine Frau nach meinem Geschmack. Nüchtern und geradeheraus.
»Mein Leben ist vor meinen Augen in tausend Stücke zersprungen«, sagte sie. Sie sah mich an und lächelte freundlich: »Und Ihre Nägel sind eine absolute Katastrophe.«
»Wollten Sie schon immer Nageldesignerin werden?«
Sie lachte. »Ich wollte reisen, und das hier kann man überall machen.«
Wir legten eine Pause ein, um einige Handrituale durchzuführen – reinigen, trocknen, massieren –, und ich trat in eine mir bis dato unbekannte Dimension ein: den narkotisierten Zustand der manikürten Frau. Allmählich änderte ich meine Meinung über die Damen, die reihenweise um mich herumsaßen.
»Ich habe Jeremy immer die Nägel gemacht, abends auf dem Sofa. Das war eines unserer gemeinsamen Rituale.« Sie holte ein braunes Lederetui aus ihrer Tasche und berührte es liebevoll: »Er hat mir dieses Necessaire geschenkt. Vor allem für ihn sollte ich es benutzen.«
Es war ein schönes Lederetui, ihre Initialen waren darin eingeprägt: AK . Reinigungswerkzeuge aus rostfreiem Stahl in allen Größen und Formen befanden sich darin.
»Sind Sie verheiratet?« fragte sie mich. Meine abgeschnittenen Nägel fielen auf ihr Filztuch.
Ich dachte länger als nötig über diese Frage nach. »Nein«, antwortete ich schließlich. Ich hatte mich nie für die Art Frau gehalten, die heiratet. Ich hatte nie zehn Riesen für eine Feier verschleudern wollen, die mir vermutlich keinen Spaß gemacht hätte und zu der lauter Leute gekommen wären, die ich kaum kannte. Ich hatte nie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen wollen, und ich hatte auch nie verschenkt werden wollen wie ein weihnachtlicher Präsentkorb. Hochzeiten brachtenmich zum Weinen, aber nicht aus den üblichen Gründen. Bei der Hochzeit meiner Arbeitskollegin Marj hatte ich geweint, weil ihr Mann ein Arschgesicht war. Wenn er sich besoffen hatte, pisste er hin, wo es ihm passte. Und er besoff sich immer. Eines Abends hatte ich ihn dabei erwischt, wie er in mein Basilikum pinkelte – ich hatte den Topf gerade erst bei Sainsbury’s gekauft. Und Marj hatte mir gebeichtet, einer seiner kleinen Fetische sei es, im Bad über ihr zu stehen und sein Wasser zu lassen. Schlimmer noch, er war ein Frauenfeind, der nur dann zum Leben erwachte, wenn er mit anderen Männern über Scheiß-Schottische-Premier-League-dies-und- UEFA – das sprechen konnte. Ich glaube nicht, dass er mir – oder irgendeiner anderen Frau – jemals direkt in die Augen geschaut hatte. Seine Pisse musste wahrlich wie Lindt-Schokolade schmecken, sonst hätte ich mir ums
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